An den Gestaden von Chaldewallchan - Der Atem des Drachen (German Edition)
unaufhaltsam näherte.
Noch hatten die Soldaten Wolf und Natas nicht entdeckt, beäu g ten aber aufmerksam jedes der vielen Gesichter, die ihren Weg kreu z ten. Der Verletzte, der ihnen vorauseilte, schien genau zu wissen, wessen Antlitz er finden musste, um den herben Kop f stoß zu vergelten, den er an den Toren Elderwalls von einem ungewöhnlich gewandten Kämpfer bezogen hatte. Die A n nahme, es sei ein ausgebildeter Soldat, lag nahe und somit wurde, unter der Fü h rung des betroffenen Landsers, die ganze Stadt nach einem fein d lichen Späher durchsucht, der im Namen des alten Feindes die Festung infiltrierte.
Hannah ereichte die beiden zuerst und blieb vor ihnen stehen. Für einen flüchtigen Augenblick schaute sie ihm tief in die Augen und ihr Blick jagte ihm Schauer über den Rücken, beinhaltete er doch in diesem einen kurzen Moment all das Leid und die Seh n sucht, die sich in ihre Seele gebrannt hatten und nun eine emot i onale Leere hinterließen, die sie verzweifelt versuchte mit Erinn e rungen an ihn aufzufüllen.
Wolf erwiderte mit festem Blick ihren nachdenklichen Gesicht s ausdruck, der sich innerhalb von Sekunden zu einer wilden En t schlossenheit wandelte, als sie unvermittelt seine Hand pac k te, sich umdrehte und ihn in eine kleine Nebengasse zerrte. Eing e taucht im Halbdunkel der Sackgasse, drückte sie ihn gegen eine Hauswand, ohne auf den kleinen Passagier auf seinem Rücken zu achten, der verängstigt nach Luft schnappte, als er die unang e nehme Kälte der Mauer spürte. Mit der Erfahrung einer reifen Frau schlang sie ein Bein um seine Hüfte, packte sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn leidenschaftlich.
Wolf war sic h tlich verwirrt, erwiderte aber nach leichtem Zögern ihren Kuss und drückte sie fest an sich. Er schmeckte die salzigen Tränen, die Hannah über die Wange liefen, als er eine Wache bemerkte, die sie aufmerksam beobachtete.
„Ist da jemand drin!“, rief eine Stimme aus einiger Entfernung dem Soldaten zu, der ohne zu antworten und mit dem Schwert in der Hand angestrengt in die Schatten der kleinen Weges starrte.
„Na, sag schon! Hast du jemand gefunden?“, ermahnte ihn die näherkommende Stimme ein zweites Mal.
Wolf lockerte langsam die Umarmung und griff mit einer freien Hand unter seinen Mantel, wo er den kalten Stahl eines seiner Dolche fest umgriff.
Hannah löste sich von Wolfs Lippen, nahm seine Hand, um ihn an seinem Vorhaben zu hindern und richtete ihre Aufmerksa m keit auf den Unschlüssigen am Eingang der Passage. Als er den erbosten, durchdringenden Blick der Frau bemer k te, senkte der junge Soldat peinlich berührt den Blick und wandte sich seinem Kameraden zu, der ungeduldig auf ihn zukam.
„Was ist denn los! Warum gibst du mir keine Antwort, Jo n der?“
„Da ist niemand! Lass uns weitergehen“, erwiderte dieser sto-c k end und verließ mit gesenktem Haupt die düstere Gasse.
„Das schöne Weib von gestern hat dir wohl die Sinne g e raubt, mein Kleiner!“, rief der zweite Soldat, als er ihm entg e genkam. Er packte den Jüngeren fest an der Schulter, schüttelte ihn b e herzt und begleitete ihn dann lachend die Haup t straße hinunter.
Wolf entspannte sich und ließ die halb herausgezogene Klinge wieder in den Schaft gleiten, während Hannah sich aus seiner Umarmung löste und dabei unbemerkt sein zweites Messer he r vorzog. In diesem Augenblick der Unachtsamkeit und ohne Vor-warnung presste sie sich wieder dicht an ihn und drückte den scharfen Grat an seinen Hals. Ihre Augen schi e nen ihn mit Haut und Haaren verschlingen zu wollen und leuchteten wie die Glut eines Hölleninfernos, das nur durch ihre bitteren Tränen am Au s bruch gehindert werden konnte. Der Krieger bewertete ihre Tat mit Gleichmut und hielt i h rem hasserfüllten Blick stand.
„Ich bin nicht hier, um dunkle Erinnerungen zu erwecken und deinen Zorn zu schüren, Hannah!“, sprach er mit ruhiger Sti m me, „mein kleiner Begleiter benötigt deinen Schutz und deine Fürsorge. Darum bitte ich dich!“ Vorsichtig griff er über seine Schulter, löste die Trageriemen und befreite Natas aus seiner misslichen Lage, der leicht b e nommen direkt hinter Wolf auf dem Boden landete. Er schü t telte sich kurz, verbarg sich hinter dem Bein seines Beschü t zers und schaute ängstlich zu Hannah empor.
Zögernd ließ sie von Wolf ab, ging in die Hocke und starrte das Kind mit tränenerfüllten Augen an, während ihre Geda n ken weit in die Ferne schweiften und eine
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