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An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition)

Titel: An den Ufern des goldenen Flusses (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Beto
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der andere von ihr ab. Die beiden starrten in Richtung des Waldes. Dort segelte durch den Priel ein größeres Boot. Ein Mann stand darin. Mit einer Hand hielt er die Pinne, während er sich über die Bordwand neigte und irgendetwas aus dem Schlick fischte und in seine Piroge warf. Noch ein Leichenfledderer? Sein Weg führte ihn auf das Gefährt der beiden anderen zu. Obwohl er die Männer nicht weiter beachtete, duckten sie sich wie zwei Hunde vor einem Wolf. Tatsächlich, als sein Blick sie streifte und interessiert an Janna hängen blieb, warfen die Strandräuber sie kurzerhand wieder über Bord. Janna wusste kaum, wie ihr geschah. Das kleinere Boot verschwand. Das größere kam so scharf längsseits, dass sie schon befürchtete, es werde sie zwischen dem Rumpf und dem Rand des Priels zerdrücken.
    Erneut wurde sie an den Armen hochgezerrt und ebenso grob ins Boot gehievt.
    Janna kauerte sich am Bug zusammen. Der Fremde löste den Stopfen einer Kalebasse und beugte sich über sie. Eine kräftige Hand stützte ihren Nacken; die andere hielt den Flaschenkürbis an ihre Lippen. Kaum rannen die ersten Tropfen in ihren Mund, begann sie gierig zu saugen. Als er die Kalebasse viel zu früh wieder fortzog, musste sie sich beherrschen, nicht die Hände um sein Handgelenk zu legen.
    Gemächlich machte er sich am Segel zu schaffen, ohne ihr weiter Beachtung zu schenken – eine hochgewachsene Gestalt, die geschmeidig mit Schot und Pinne hantierte. Auf dem braungebrannten, muskulösen Leib trug er ein ärmelloses Hemd. Eine tief sitzende Kniehose, die sich um seine Oberschenkel bauschte und oberhalb der Knie mit Lederschnüren gebunden war. Und am Gürtel zwei Messer und einen Offizierssäbel. Ob er den auch am Strand gefunden hatte? Die schwarzen Haare hatte er zu mehreren schmalen Zöpfen geflochten und im Nacken zu einem Strang gebunden, der ihm weit bis auf den Rücken fiel. An den Handgelenken und den bloßen Füßen trug er barbarischen Schmuck, Lederschnüre, auf denen Schneckenhäuser aufgereiht waren. Auf einem nackten Oberarm prangte eine Tätowierung, eine gekrönte Frau und ein fremdartiges Tier, auf dem sie saß.
    Ganz so wild wie ein Indio sah er nicht aus. Zivilisiert jedoch auch nicht.
    War er etwa einer jener … Cimarrónes?
    Er fing den Wind in seinem Segel; die Piroge drehte sich und glitt über den nassen Morast hinweg wie über Seife.
    Ihr Koffer! Janna warf sich auf die Seite, wollte sich über die Bordwand beugen, um danach zu schnappen. Das Boot neigte sich. Sie schrie, als der Mann sie grob an der Schulter packte und zurückriss.
    «¡Burro!», knurrte er. Das war kein feines Wort. Mochte er sie gerettet haben – einen freundlichen Eindruck machte er nicht. Ganz und gar nicht. Unter geschwungenen Brauen funkelte er sie aus schwarzen Augen an. Ihr war danach, sich unter diesem Blick zu ducken.
    «Mein Koffer», wiederholte sie. Vor Schreck fiel ihr das spanische Wort nicht ein. Sie hielt diesem Blick stand, mit dem er ihr Inneres nach außen zu kehren schien, und deutete hinaus. Endlich hatte er den vom Morast fast verschluckten Koffer entdeckt. Er ergriff einen langen Bootshaken. Einen Augenblick später warf er ihr den Koffer mit einem ärgerlichen Knurren in die Arme, sodass es sie fast rücklings über die Sitzbank warf. Dann beugte er sich über sie und entblößte wie eine angriffslustige Raubkatze die Zähne. Sein warnend erhobener Zeigefinger dicht vor ihren Augen ließ sie sich hinter dem Koffer ducken. Herr im Himmel, an wen war sie da nur geraten?
    Reinmar, wärst du doch nur hier! «¿El náufrago?», fiel ihr das Wort für ‹Schiffbrüchiger› ein.
    Er beachtete sie nicht.
    Weiter ging die Fahrt, hinein in einen Wasserlauf, der durch den Mangrovenwald schnitt. Schwerer, erdiger Geruch stieg auf und stach in der Nase. Rote Stelzenvögel stoben vor dem Boot davon, elegant mit den Flügeln schlagend. Zwei Wasserbüffel hoben die geschwungenen Hörner aus dem Wasser, schlackerten mit den Ohren und schauten neugierig herüber. Die Pforten zum himmlischen Paradies, so hatte Christoph Kolumbus die Mündung des Orinoco genannt. Janna bedauerte, derzeit nicht imstande zu sein, diese Aussage nachzuempfinden. Die Sonne brannte heiß und buk den Sand auf ihrer Haut. Vergeblich versuchte sie ihn herunterzuklopfen. Er war überall, in den Falten ihres Kleides, in den Haaren, sogar im Mund.
    «¿Más agua?», rief sie, auf die verschlossene Kalebasse und dann auf ihr Kleid deutend.
    «No.»
    Es

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