An einem Tag im Januar
Sams in die Laken gekrampften Fäuste, bis Mark zuletzt zu ihm trat und beide Arme um ihn legte und ihn wegzog.
Er sah seinen Vater seine tote Frau küssen, als erwartete er, sie durch seinen Kuss von den Toten zu wecken.
»Ich bin geblieben«, sagte Sam. »Und du hast nie etwas geahnt, oder? Aber bis heute bereue ich meinen Verrat an dir. Die Zeit, die ich nicht mit dir verbracht habe. Die Gründe, die ich vorgeschoben habe, um dich ignorieren zu können. Ich möchte, dass du das weißt. Als ich beschloss zu bleiben, da habe ich mir geschworen, dich neu kennenzulernen. Für mein Kind da zu sein – und für den Mann, der aus dir einmal werden würde. Dafür habe ich gelebt. Und ich bin froh, dass ich das alles miterleben durfte – wie du dich entwickelt hast, wie du Chloe kennengelernt hast und selber Vater wurdest …«
Jetzt hätte Mark gerührt sein sollen, aber stattdessen packte ihn jähe Wut. Er fühlte sich wie ein trotziges Kind, das die ausgestreckten Hände des Vaters wegschlagen will.
Oder vielleicht war er auf Allie wütend, weil sie schwanger war, oder auf Chloe, weil sie ihn auf einmal wieder liebte, oder auf Brendan, weil er ihm diese ganzen Probleme eingebrockt hatte. Weil er die Treppe hinuntergeschlichen war, weil er sich den Schuh nicht ordentlich gebunden hatte.
Sein Vater schien auf irgendeine Äußerung von ihm zu warten. Eine Verurteilung möglicherweise.
»Was ist aus der Frau geworden?«, fragte Mark.
Sam sagte: »Sie hat inzwischen geheiratet. Sie hat einen Lehrstuhl an einer renommierteren Universität als ich, und sie veröffentlicht regelmäßiger als ich, und wir sehen uns etwa einmal im Jahr, weil wir dieselben Leute kennen und zu denselben Tagungen gehen. Sie lässt mich nie vergessen, dass ich ein Lügner bin. Sie hasst mich, hasst mich aus tiefstem Herzen.« Er sah Mark an. »Aber das war nicht deine Frage, oder? Ich liebe sie immer noch, doch. Meine Versprechungen an sie waren gelogen, aber meine Gefühle nicht.« Er zuckte die Achseln. »Und das Schlimmste ist, dass sie es weiß. Für sie bin ich nicht nur ein Mann, der ihr das Herz gebrochen hat, sondern auch ein Feigling.«
Damit schien Sam alle Luft auszustoßen, die noch in ihm war. »Tja. Das sind meine Sünden.«
Und als er Mark über den Tisch die Hand hinstreckte, schlug Mark sie nicht weg. Er nahm sie, fast gegen seinen Willen, und hielt sie fest. Sam erwiderte den Druck.
»Gestern Abend, auf der Fahrt hierher, habe ich mit mir gerungen. Erzähle ich es dir? Erzähle ich es dir nicht? Gebe ich dir einen Rat? Oder lasse ich es lieber? Ich wusste keine Antwort darauf, und ich weiß sie immer noch nicht. Ich weiß nicht, was ich dir wegen Brendan sagen soll. Du hast recht – ich glaube nicht, dass ich mich dazu bringen kann, an einen Geist zu glauben. Aber eins weiß ich: Wenn Allie schwanger ist, wenn sie das Kind bekommt, dann habe ich wieder ein Enkelkind. Du wirst wieder Vater.
Das Leben geht seltsame Wege«, sagte Sam. »Ich bereue vieles. Ich vermisse jetzt zwei Frauen. Aber zumindest kann ich etwas mit Gewissheit sagen.« Er sah Mark in die Augen. »Ich habe meinen Sohn nicht wegen irgendwelcher Phantastereien allein gelassen.«
»Phantastereien?«
Sein Vater senkte den Blick nicht.
»Ich lasse meinen Sohn auch nicht allein«, erwiderte Mark. »Das musst du verstehen.«
Danach blieb nicht mehr viel zu sagen. Sam – gealtert, eingefallen – stand auf, um in ein Hotel zu gehen. Mark bot ihm sein Haus an, doch Sam lehnte ab. Aber er wollte auf dem Laufenden gehalten werden. Er wollte, dass Mark ihn anrief. Er bestand darauf, dass Mark es ihm versprach, und schließlich willigte Mark ein.
Und dann ging sein Vater hinaus, zog seinen Mantel über, mit enttäuschten, langsamen Bewegungen.
»Pass auf dich auf«, sagte er an der Haustür. Er streckte Mark die Hand hin, und Mark nahm sie – und dann umarmte er ihn doch. »Vielleicht wirst du mich irgendwann ja verstehen«, sagte er.
Sam antwortete nicht. Aber am Fuß der verschneiten Stufen drehte er sich um und sagte: »Grüß Chloe von mir.«
Als er gefahren war, lief Mark nach oben, um noch rasch die Sachen zu holen, die er für den Abend brauchen würde. Er zog eine Reißverschlussmappe aus seinem Büroschrank und steckte seine Skizzen von Brendan hinein. Nach kurzem Nachdenken ging er noch einmal an den Schrank und suchte aus einer Schachtel ganz hinten an der Wand ein paar von Brendans eigenen Kunstwerken hervor: eine Klappkarte mit einem
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