An einem Tag im Januar
heraus und überflog die obersten Durchschläge.
Lange musste er nicht suchen. Der Scheck für die Kirche des Weißen Lichts war gestern ausgestellt worden – vermutlich hatte sie ihn Warren in der Küche gegeben. Er lautete über fünftausend Dollar.
Mark blätterte weiter zurück – Miete, Telefon, Kroger’s Küchenbedarf –, fand aber keinen zweiten Scheck für die Weills. Es gab offenbar nur die eine Zahlung – eine Spende, im Voraus geleistet für die heutige Sitzung. Fünf Riesen, einfach so.
Als er die Handtasche öffnete, um das Scheckbuch an seinen Platz zurückzuschieben, bemerkte er ein kleines braunes Tablettenfläschchen ohne Etikett. Er nahm es heraus. Die Tabletten darin waren merkwürdig geformt und klapperten auch merkwürdig. Er schraubte den Deckel ab und schüttete sich den Inhalt in die hohle Hand.
Zähne, die aneinanderklickten wie vergilbte Perlen. Brendans Milchzähne. Fünf Stück, winzig klein und unsagbar glatt und kalt. Chloes Talisman für das bevorstehende Ritual, etwas anderes konnte es nicht sein.
Er füllte sie behutsam in ihr Fläschchen zurück, verschloss es und steckte es wieder in ihre Tasche. Dann schlich er den Gang entlang zu ihr ins Bett und hielt sie fest im Arm, während sie schlief und er nicht.
SIEBENUNDZWANZIG
Um halb fünf weckte er Chloe. Schweigend machten sie sich für den Abend fertig.
Mark wühlte in dem Kleiderhaufen in seinem Koffer und versuchte, eine Auswahl zu treffen. Wie kleidete man sich, wenn man zu einer Séance für seinen toten Sohn ging? Er entschied sich für eine schwarze Hose und ein Button-down-Hemd. Darüber zog er ein dunkles Sakko und überlegte flüchtig, ob Brendan ihn wohl erkennen würde.
Chloe zog einen langen schwarzen Rock und eine weiße Bluse an, dazu eine Kostümjacke und schwarze Stiefel. »Bist du so weit?«, fragte sie ihn, als sie fertig frisiert und geschminkt war. Sein Herz zog sich zusammen, so schön war sie.
Eine Vorahnung durchfuhr ihn wie ein Stich: Egal, was sie einander versprochen hatten, ihre gemeinsame Zeit ging dem Ende zu.
»Wir schaffen das«, sagte sie nach einem raschen Blick in sein Gesicht lächelnd. »Mark – alles wird gut.«
Sie fuhren in Marks Volvo. Der Nachthimmel schleuderte vereinzelte Graupelkörner gegen die Windschutzscheibe, und Chloe, auch in den besten Zeiten keine gelassene Beifahrerin, schnappte schon beim kleinsten Geräusch nach Luft. Sie hielten sich an den Händen, sprachen aber nicht.
Auf halbem Weg ins Victorian Village rief Warren Weill auf Chloes Handy an. Sie gab die Botschaft an Mark weiter: Die Straßen waren nicht frei, Warren und Trudy würden sich etwas verspäten. Sie sollten zur Entspannung schon mal ein Gläschen Wein trinken, schlug er vor.
Mark sah wieder das bedenkliche Gesicht seines Vaters vor sich, der darauf drang, sie zu begleiten.
Chloe wölbte die Hand um sein Knie. »Alles in Ordnung?«
»Ja«, versicherte er ihr.
Als sie vor ihrem alten Haus parkten, waren sämtliche Räume hell erleuchtet, Brendans altes Zimmer inbegriffen. Mark sah einen Schatten, der sich hinter dem heruntergezogenen Rollo dort oben bewegte, und umfasste das Lenkrad fester.
Er öffnete die Beifahrertür für Chloe, und Schulter an Schulter stiegen sie stumm die schneeglatten Verandastufen hinauf.
Connie öffnete ihnen, bevor sie noch klopfen konnten. Auch sie hatte sich fein gemacht, mit schwarzer Hose, hochhackigen Schuhen und einem enganliegenden grauen Pullover. An ihren Ohren baumelten große Silberringe. »Chloe! Mark! Willkommen! Willkommen daheim, sozusagen.«
Ein mauer Scherz. Chloe lächelte trotzdem. »Danke«, sagte sie, und sie traten an Connie vorbei ins Haus.
Mark folgte Chloe in ihr altes Fernsehzimmer und sah sich unauffällig um – bis hierhin war er neulich nicht vorgedrungen. Connie hatte eine Bibliothek daraus gemacht; hohe, dunkel gebeizte Bücherregale zogen sich die Wände entlang, die in einem satten Kupferbraun gestrichen waren. Auf einem Teppich in der Zimmermitte standen ein kleines Zweiersofa und zwei tiefe Sessel. Hinter ihm nahm die dankbare Connie Chloes Gewürzkuchen in Empfang. Mark ließ den Blick das ihm am nächsten gelegene Regal entlangwandern und entdeckte Dickens, Austen, sogar Wilkie Collins.
Er hatte Connie unrecht getan. Sie war nicht dumm. Nein, die Wahrheit (die er bisher nicht einmal in Betracht gezogen hatte) war wohl eher, dass sie einfach ein Büchermensch war, schüchtern und weltfremd wie ihr Sohn.
Connie stellte sich
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