An einem Tag im Januar
Wohnzimmer erreichte, saßen dort all die anderen, Chloe, Warren, Connie und sogar Jacob, stumm und mit gesenkten Köpfen im Kreis.
Alle blickten auf, als Mark hereinkam; alle außer Jacob lächelten.
Trudy kam ihm entgegen und nahm seine Hand. »Mark! Kommen Sie zu uns!« Ihre Handfläche war trocken und warm. Er fragte sich, ob sie ihm auch jetzt ins Herz schauen konnte, ob sie sah, was sich darin abspielte.
»Ich hoffe, Sie sind bei uns, wenn wir nun beten, Mr Mark.«
Trudy zog ihn neben sich. Chloe sah seinen Gesichtsausdruck und wollte schon aufstehen, aber er schüttelte den Kopf. Stattdessen richtete er den Blick auf Jacob, der neben seiner Mutter auf dem Sofa saß und seine Schuhe fixierte.
»O Herr!«, rief Trudy in bestürzender Lautstärke. Connie und Chloe senkten beide die Köpfe. Jacob fuhr zusammen und starrte mit offenem Mund erst Trudy an und dann Mark. Warren ließ sich steif auf ein Knie nieder und faltete die Hände vor der Brust.
»Endlich«, rief Trudy – und dabei drückte sie Marks Hand – »sind wir vollzählig versammelt, um dein Werk zu tun. Um dein verlorenes Schaf zu deiner Herde zurückzuführen, wie du es geboten hast. O Herr, wir bitten dich um deine Geduld und Hilfe – und um deine Vergebung, wenn wir nun an die Pforten deines Reiches klopfen. O Herr, leite uns auf deinem Weg, wenn wir dem kleinen Brendan die Hand reichen. Bitte hilf uns, ihn heimzuschicken zu dir . In deinem Namen erbitten wir dies. Amen.«
Von Connie ein inbrünstiger Quietscher. Warrens vernehmlicherer Bariton: »Ahh-men.« Jacobs Lippen bewegten sich lautlos. Und durch die Stimmen der anderen hörte Mark ganz deutlich Chloe, die ihr »Amen« hauchte wie den Namen eines Geliebten.
Unter dem Beistelltisch kam Bigwig, der Kater, hervorgeglitten. Er sprang aufs Sofa und nahm so dicht bei Jacob Aufstellung wie nur möglich. Drohend funkelte er erst Mark an und dann all die anderen reihum.
»So.« Trudy lächelte strahlend. »Wollen wir hochgehen?«
Mark konnte nicht länger an sich halten. Er holte tief Luft. Fünf Köpfe wandten sich in seine Richtung, fünf Gesichter starrten ihn an. Er öffnete den Mund.
Jacob kam ihm zuvor: »Nein, nicht!«
Der Junge saß vornübergekrümmt, seine Finger krampften sich ineinander. Mit nassen Augen sah er seine Mutter an. »Wir müssen aufhören!«
Trudy ließ Marks Hand los.
»Es stimmt alles nicht«, sagte Jacob.
Chloes Züge verloren ihren Ausdruck der Erwartung, an seine Stelle trat Verunsicherung – dann Schmerz. Verletztheit. Sie machte eine Bewegung auf Jacob zu – der vom Sofa aufsprang und an Mark vorbei zur Treppe rannte. Als er den Treppenabsatz erreichte, hörten sie seinen ersten Schluchzer.
Der Kater warf einen letzten feindseligen Blick in die Runde, dann folgte er ihm.
»Guter Gott«, sagte Trudy. »Das kam unerwartet.«
»Für mich nicht«, sagte Mark.
Warren stellte sich neben seine Frau. Seine Hand lag in ihrem Rücken, sein Gesicht war steinern.
»Was ist passiert, Mark?« Trudys Stimme war die einer argwöhnischen Highschool-Lehrerin, sanft und mit einem unsichtbaren Stahl durchwoben. Sie griff nach seiner Hand, aber er zog sie weg. Ihre Schauspielkunst war wirklich bewundernswert – sie wirkte genauso betroffen, genauso vor den Kopf gestoßen wie Chloe, die ihn wie versteinert ansah.
Connie stand da, hin- und hergerissen zwischen Muttergefühlen und Neugier.
»Er hat uns angelogen«, sagte Mark. »Er hat Brendan überhaupt nicht gesehen.«
»Mark«, sagte Chloe.
»Wir haben uns vorhin unterhalten«, sagte Mark. »Und das kam dabei raus.«
Chloe sagte: »Mark, aber wir haben – wir haben doch alle …«
Mark konnte kaum in ihre Richtung schauen. Sie saß vorgebeugt, einen Arm vor der Magengrube, als hätte er sie geschlagen. An ein und demselben Tag hatte er den einzigen beiden Frauen, die ihn je geliebt hatten, den Todesstoß versetzt.
»Chloe«, sagte er leise, »gehen wir rauf und reden mit Jacob. Er erklärt dir alles noch mal.«
Warren räusperte sich. »Ich glaube, Sie verstehen da etwas falsch, Mr Fife. Diese Situation …«
Trudy schnitt ihm das Wort ab. »Mark. Ich spüre Ihren Sohn in diesen vier Wänden. Er ist hier, das versichere ich Ihnen.« An ihrer Schläfe leuchtete die Narbe wie ein Kreidestrich. »Ich habe es gespürt, sowie ich diese Schwelle überschritten habe. Die Energien in diesem Haus sind enorm.«
Mark beachtete sie gar nicht. Er nahm Chloes Hand und zog sie daran hoch. Sie erhob sich schwerelos wie
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