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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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mit den Händen am Revers seiner Jacke entlang. Sie trug ohnehin noch Kostüm und hohe Absätze – sie brauchte sich nicht groß anzustrengen, um als ehrgeizige Junganwältin durchzugehen.
    Sie nahmen das Auto. Sie waren zwei Akademiker, die lange gearbeitet hatten und vor einem späten Abendessen noch schnell ein Haus besichtigten. Die Luft war neblig und kälter, als sie im ersten Moment schien, genau die Art halbgarer Winterklammheit, deretwegen er vielleicht tatsächlich irgendwann nach Westen ziehen würde. Jede Straßenlaterne hatte einen pelzigen kleinen Heiligenschein. Die Randsteine waren mit schwärzlichem Schnee verkrustet.
    Sie trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad herum und sang dazu vor sich hin. Allie liebte solche Rollenspiele. Er ja eigentlich auch – allein schon die Nächte, die er und Lewis sich im College mit Dungeons & Dragons um die Ohren geschlagen hatten. Und als Dr. Fife durfte er eins nicht vergessen: Seine und Allies Rollenspiele hatten nicht mit Immobilienmaklern begonnen, sie hatten im Bett begonnen, und wenn er wollte, konnten sie heute auch wieder dort enden. Er warf einen Blick zu Allie hinüber, auf ihre hübschen dunklen Haarkringel, den fröhlichen Schwung ihres Mundes.
    Allie parkte direkt vor dem ZU BESICHTIGEN -Schild. Mit Luftballons hielt man sich im German Village nicht auf; stattdessen hatte die Maklerin rechts und links von dem Schild geschmackvolle Papierlaternen aufgestellt, die es in einen mattgoldenen Schimmer tauchten. Allie hatte recht, das Haus war wunderschön: schmal, zweigeschossig, mit Ziegelfassade und einem Flachdach. Aus vier symmetrischen Fenstern strömte warmes Licht; über der Haustür hing ein Adventskranz. Auf der anderen Straßenseite begann die hügelige Weite des Schillerparks.
    Die Maklerin begrüßte sie an der Haustür, eine hochgewachsene Frau in den Fünfzigern mit gelacktem blondem Haar. Sie trug ein dunkelblaues Kostüm, Perlohrringe und absurd spitze Stöckelschuhe. »Allison!«, zwitscherte sie. »Hereinspaziert, hereinspaziert.« Und zu Mark: »Dr. Fife, richtig? Ich bin Lorraine.«
    Mark schenkte Lorraine ein dünnes Lächeln und begann vorsorglich, sein Rückgrat zu versteifen. Jetzt durfte er für ein paar Minuten einmal das Arschloch rauslassen; die Leute erwarteten es nicht anders, als dass Ärzte Arschlöcher waren. Zumindest er erwartete das.
    Das Haus war von innen ebenso schön wie von außen. Der dunkle Parkettboden glänzte zwischen den edlen Teppichen hervor wie das Wasser eines Sees. Die Wände waren ebenfalls dunkel, in geschmackvollen Rot- und Goldtönen gestrichen beziehungsweise tapeziert. Ein Feuer brannte in dem offenen Wohnzimmerkamin, der von deckenhohen Einbauregalen eingerahmt war; aus Mahagoni, vermutete Mark. Nur die Möbel passten nicht recht zu dem Ganzen – sie waren zu niedrig und eckig und modern für das Haus, in dem sie standen.
    Lorraine plapperte irgendwelche Nichtigkeiten, die Allison mit begeisterten Ausrufen quittierte.
    In einer Ecke des Wohnzimmers gab es sogar eine eingebaute Bar. Lorraine hatte eine Flasche Wein und mehrere Gläser bereitgestellt und bot ihnen nun davon an.
    »Danke«, sagte Mark. »Was für ein tolles Haus.«
    Lorraine ließ lächelnd die Zähne blitzen und reichte ihnen je ein Glas. »Wow«, sagte Allison nach dem ersten Nippen. Mark trank einen vorsichtigen Schluck; er hätte den Rest des Abends ohne Weiteres mit dieser Flasche an der Bar verbringen können.
    Lorraine versuchte Allison jetzt ins Gespräch zu verwickeln, sie ein wenig auszuhorchen. Mark hörte ihnen mit halbem Ohr zu, während er zu der Bücherwand hinüberschlenderte, die mit Reader’s-Digest-Bänden bestückt war.
    »… und Mark arbeitet als Chirurg.« Allison stellte sich neben ihn und fasste ihn beim Ellbogen. »In Riverside.« Mark drehte sich um und lächelte ein möglichst zerstreutes, doktorhaftes Lächeln.
    »Gott«, sagte Lorraine, »so tüchtig Sie alle beide. Auf was sind Sie denn spezialisiert?«
    »Herzen«, sagte Mark.
    Allison grinste ein bisschen und begann ihrerseits die Regale zu inspizieren.
    Lorraine drückte die Hand an die Brust. »Mein Vater ist letztes Jahr gestorben. Vier Arterienverschlüsse – er hat sich nie untersuchen lassen.«
    »Ab vierzig muss man alles untersuchen lassen«, sagte Mark streng. »Ich sag den Leuten immer, geht zum Hausarzt, dann müsst ihr nicht zu mir kommen. Ich bin der böse schwarze Mann.«
    Lorraine lächelte etwas gezwungen und führte sie nach oben,

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