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An einem Tag im Januar

An einem Tag im Januar

Titel: An einem Tag im Januar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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stellte ich mich am Waldrand vor sie und erklärte ihnen, dass Bigfoot nichts als Schwindel ist. So war ich. Bis zum Alter von achtundzwanzig.
    Da öffnete ein Geist mir die Augen …
    Mark scrollte weiter, die Nase fast am Bildschirm.
    Der Verfasser und seine Frau hatten ein Haus gekauft, von dessen Dachboden merkwürdige Geräusche kamen. Gleichzeitig erfuhren sie von den Nachbarn, dass vor langer Zeit bei einer Überschwemmung zwei kleine Kinder auf den Dachboden geflüchtet und dort ertrunken waren, während die Helfer noch von außen versuchten, mit einer Axt ein Loch ins Dach zu schlagen. Der Verfasser schob es so lange wie möglich vor sich her, nach oben zu gehen, aber die Geräusche hielten an.
    … also wagte ich mich schließlich doch hinauf und erlebte etwas, für das ich bis heute keine Erklärung habe.
    Ich hatte eine Kamera und eine Taschenlampe mitgenommen. Als ich den Dachboden betrat, war kein Poltern mehr zu hören, aber die Gewissheit, nicht allein zu sein, erfüllte mich bis ins Mark. Ich sah nichts, richtete meine Kamera jedoch instinktiv in die hintersten Winkel des Raums und begann wahllos zu fotografieren.
    Als ich die Bilder entwickelte, konnte ich kaum glauben, was ich da eingefangen hatte.
    Ich möchte euren eigenen Eindrücken nicht vorgreifen. Klickt auf den untenstehenden Link und bildet euch selbst ein Urteil über das, was ihr dort seht.
    Mark klickte auf den Link. Ein Schwarzweißfoto begann sich aufzubauen. Es zeigte einen kleinen Speicher unter einem niedrigen Spitzdach, in dem Kisten und mit Laken verhängte Möbel durcheinanderstanden, alle grell von der Taschenlampe angeleuchtet. In der Bildmitte befand sich ein kleines rundes Fenster. Mark konnte nichts Ungewöhnliches entdecken. Er spähte angestrengt in die dämmrigen Ecken.
    Da plötzlich gellte ein markerschütternder Schrei durch sein Büro, und ein grässlicher Totenschädel sprang ins Bild. Bevor Mark ganz begriff, was passiert war, hatte er mitsamt seinem Stuhl schon einen Satz nach hinten gemacht und sich die Schulter am Aktenschrank angeschlagen.
    Der Totenschädel auf seinem Bildschirm drehte sich wild im Kreis, und darunter blinkten die Worte: und seitdem glaube ich an geister ! Und nun brach der Schädel auch noch in Gelächter aus, sein Unterkiefer klappte auf und zu wie bei einer Bauchrednerpuppe.
    Mark wusste nicht, ob er lachen oder weinen sollte. Er schloss den Browser. Der hüpfende, irrblickende Schädel verschwand und wurde ersetzt durch Marks Desktop-Hintergrund, das Wasser des Lake Tahoe, auf dem heiter und warm die Sonne glitzerte.
    Als drei Stunden später sein Handy klingelte und auf dem Display Lewis’ Name erschien, meldete er sich dankbar, schuldbewusst. Lew und seine Freundin hätten essen gehen wollen, sagte Lew, aber nun habe sie ihn versetzt – ob Mark ihm nicht ein bisschen Gesellschaft leisten wolle? »Ich hab dich seit einer Ewigkeit nicht mehr gesprochen«, setzte er mit kaum verhohlenem Vorwurf in der Stimme hinzu.
    Tatsächlich hatte Mark sich davor gedrückt, sich bei ihm zu melden, so wie bei seinem Vater auch. Er versteckte sich vor allen Menschen in seinem Leben, seit Connie Pelham aufgetaucht war. Er dachte an den grinsenden Totenschädel auf seinem Bildschirm.
    »Ich bin froh, dass du anrufst«, sagte er. »Es … es sind ein paar komische Dinge passiert.«
    Lew sprang sofort darauf an. Mark hatte vergessen gehabt, wie schwach und gebrochen und schutzbedürftig er aus Lews Sicht noch immer war.
    »Was fehlt dir?«
    »Nichts«, sagte Mark. »Es … nicht am Telefon.«
    »Ich kann sofort los«, sagte Lew. »Ich bin gleich bei dir.«
    »Nein«, sagte Mark. Er sah vom Bildschirm zu den heruntergelassenen Jalousien hinter ihm. »Ich muss dringend raus hier.«
    Sie verabredeten sich für sechs in einer Bar in Short North, die Lew gerade neu für sich entdeckt hatte, aber Mark fuhr ein ganzes Stück früher los; er hatte das Gefühl, es keine Sekunde länger in seinem Büro und der Tretmühle seiner Gedanken auszuhalten. Mit einer Stunde Vorlauf konnte er in der Bar sitzen, sich sammeln, zur Ruhe kommen. Er konnte es machen wie damals, als die Trauer um Brendan am schlimmsten war: sich unter normale Menschen mischen, so dass auch er zum Normalsein gezwungen war.
    Wenn er nun darüber nachdachte, hätte er Lew bitten sollen, ihn gleich irgendwo um die Ecke zu treffen. Short North lag nur anderthalb Meilen von ihrem alten Haus entfernt; sein Leben mit Chloe und Brendan und der Zerfall

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