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An und für dich

An und für dich

Titel: An und für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ella Griffin
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schon mehrmals gefragt, wie es sich wohl anfühlte, Jess in den Arm zu nehmen. Nicht sexuell. Sie war nur so unglaublich schön, dass er neugierig war. Jetzt fühlte es sich jedoch falsch an. Sie war viel zu groß. Ihre Ellbogen waren spitz wie Kleiderbügel, und ihre Haare rochen nach trockenem Kuchen.
    »Wie bitte?« Jess befreite sich aus seiner Umarmung und lachte laut los. »Oh Gott!« Sie stellte die Flasche ab und hielt sich die Seiten. »Tut mir leid. Das war einfach so witzig. Du benimmst dich wie der Held in einer schlechten Fernsehserie.«
    »Ach ja?« Greg verschränkte die Arme und lachte ebenfalls. »Und du benimmst dich wie eine Scheißprimadonner. Wie immer.«
    Der Inhalt des Infusionsbeutels tropfte langsam durch einen verknäuelten, nadeldünnen Plastikschlauch in Jills Arm. Nach zwei Stunden und siebenundzwanzig Minuten war erst die Hälfte des Beutels in den Schlauch gewandert, und Saffy hatte das Gefühl, jeden einzelnen Tropfen zu kennen, genauso wie jedes Detail des winzigen, überheizten Zimmers.
    Die zerschrammte Schwingtür; der zerkratzte Metallspind; der Plastikeimer mit dem gelben Warnaufkleber, der sich langsam ablöste. Das kleine Waschbecken und die Rolle grüne Papierhandtücher. Das dunkle Fenster, in dem sich das Krankenzimmer spiegelte, die schräg hängenden, abgenutzten Jalousien. Der verblasste Druck der Ährenleserinnen , der etwas schief an der Wand über dem Bett hing.
    Jill war jetzt seit drei Tagen bewusstlos. Wenn Saffy es nicht mehr aushielt, den reglosen Körper ihrer Mutter zu betrachten, die geschlossenen Augen, das schlaffe Gesicht, die leblosen Arme, die von den vielen Blutentnahmen mit grünen und violetten Flecken bedeckt waren, starrte sie stattdessen den Infusionsbeutel an.
    Der libanesische Arzt von der Sieben-Uhr-Visite heute Morgen hatte gesagt, wenn Jill nicht bis zur nächsten Woche aufwache, müsse sie über eine Magensonde ernährt werden.
    »Vielleicht ist das aber auch gar nicht nötig«, fügte er hinzu, als er Saffys Gesicht sah. »Vielleicht kriegt sie ja noch die Kurve.«
    Aber selbst wenn Jill diese Kurve kriegen würde, lagen noch andere, engere Kurven vor ihr. Selbst wenn sie sich von der Lungenentzündung und der Blutvergiftung erholte, war da immer noch der Krebs. Mr. Kenny war mit den Ergebnissen der Computertomografie nicht glücklich gewesen. An einem Knochen hatten sie etwas entdeckt, das nach einer Läsion aussah. Er wollte eine Knochenmarkspunktion vornehmen, sobald Jill stark genug dafür war.
    Der Gedanke daran, was ihnen bevorstand, jagte Saffy unglaubliche Angst ein. Wenn doch nur Joe hier wäre. Er könnte natürlich auch nicht verhindern, was vielleicht passieren würde, aber wenn sie einfach den Kopf an seine Brust legen, seinem Herzschlag lauschen und seine Arme um sich spüren könnte, dann hätte sie das Gefühl, sie würde das schon alles irgendwie bewältigen.
    Er würde doch bestimmt wissen wollen, wie es Jill ging. Das würde ihn doch bestimmt interessieren. Bestimmt würde er sich über einen Anruf von ihr freuen. Sie holte ihr Handy heraus und starrte den kleinen Bildschirm lange an. Ihr fiel nichts ein, was sie hätte sagen können. Sie steckte ihr Handy wieder ein.
    Als sie versucht hatte, ihm zu erklären, warum sie ihm verschwiegen hatte, dass sie verheiratet war, hatte er geantwortet: »Ich will’s gar nicht wissen.« Diese Worte waren deutlich. Da gab es keinen Interpretationsspielraum. Der Satz war wie Joe selbst. Klar. Deutlich. Ehrlich. Sie starrte den Infusionsschlauch an und sah einem Tropfen dabei zu, wie er immer größer wurde und schließlich hinunterfiel. Er hatte es ernst gemeint. Und sie konnte ihm keinen Vorwurf machen.
31
    Manchmal gelang es Saffy, ab und zu ein paar Stunden aufrecht in dem Sessel zu schlafen, den sie sich aus dem Fernsehraum geholt hatte. Feste Nahrung behielt sie kaum bei sich. Sie lebte von Kaffee und Zigaretten, rauchte draußen vor dem Krankenhaus in Gesellschaft alter Männer in Rollstühlen und alter Frauen in Bademänteln, die ihren Tropf an einem Gestell vor sich herschoben.
    Tagsüber kam Jess und leistete ihr Gesellschaft, und jeden Abend kam Greg. Er brachte Weintrauben mit, die Jill nicht essen konnte, und Blumen, deren Duft sie nicht riechen konnte, und das neueste Buch von Marian Keyes, das ihre Mutter vielleicht nicht mehr würde lesen können, dachte Saffy mit einem großen Kloß im Hals.
    Eines Abends, als sie von der Toilette zurückkam, hörte sie seine Stimme. Sie

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