Ana Veloso
wissen, wozu es gut war. Sie hob den
Oberkörper und winkelte die Beine neben sich an, bis sie auf ihm saß. Oh,
endlich verstand sie! In dieser Position fühlte er sich in ihr so groß an, war
er so tief in ihr, dass sich ihrer Kehle unwillkürlich ein Geräusch entrang,
das halb Seufzen, halb Schluchzen war. León griff nach ihren Beckenknochen und
gab den Takt für ihr Liebesspiel vor. Wieder beschleunigte er das Tempo
zusehends. Das, dachte Vitória, wenn sie überhaupt noch zu einem einzigen
Gedanken in der Lage war, war überwältigend! Sie merkte nicht, dass seine Hände
sich mittlerweile fest um ihre Brüste geschlossen hatten und dass sie allein für
den Rhythmus verantwortlich war, der immer schneller, immer wilder wurde, bis
sie ihr Kreuz durchdrückte, den Kopf nach hinten warf und ihre Raserei sich in
einem einzigen Schrei entlud, der von Leóns lautem Stöhnen begleitet wurde.
Er zog Vitória zu sich herab und küsste ihr
schweißnasses Gesicht.
Vor der Tür hörten sie Gelächter, Füßetrappeln
und Applaus.
»0 Gott, diese besoffenen Kerle haben uns
belauscht!«
»Na und? Sind wir nicht Mann und Frau? Es gibt
nichts, dessen wir uns schämen müssten.«
»Nein?«
»Nein.«
»Aber ... bist du sicher, dass das die Art ist,
in der Mann und Frau miteinander umgehen? Meine Eltern haben jedenfalls noch
nie einen solchen Lärm veranstaltet wie wir.«
León brach in Lachen aus.
»Also, um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube
nicht, dass es viele Paare gibt, denen so leidenschaftliche Nächte vergönnt
sind wie uns. Jeder Mann würde mich um eine Frau wie dich beneiden.«
»Ein Flittchen wie mich. Meinst du das? Eine,
die sich so hemmungslos gehen lässt?«
»Aber Vita, woher hast du nur so verquere Ideen?
Du bist meine Frau, und ich will dich kein bisschen anders, als du bist. Und
schon gar nicht weniger hemmungslos.«
»Nein?«
»Nein.«
Vitória legte ihren Kopf auf Leóns Schulter und
fühlte sich in seiner Umarmung wunderbar geborgen. Er küsste ihre Stirn, drückte
sie enger an sich und fuhr mit den Fingern seiner rechten Hand die Rundung
ihrer Taille nach.
»Glaubst du nicht, dass wir einen Fehler
begangen haben?«, fragte Vitória.
»Mit unserer Liebe?«
»Ich spreche nicht von dem ... Akt. Ich meine
unsere Hochzeit.«
»Ich auch.«
Vitória schluckte. Wie war das jetzt wieder zu
verstehen? Der Mann gab ihr ständig neue Rätsel auf. Sie rückte ein Stück von
León ab, um ihm in die Augen zu sehen. »Heißt das, du liebst mich?« Kaum dass
sie die Frage ausgesprochen hatte, hätte sie sich die Zunge abbeißen mögen. Das
war ihrer nicht würdig. Vitória hatte es nicht nötig, mit derartigen Fragen
Liebeserklärungen zu erzwingen.
»Natürlich tue ich das. Hätte ich sonst in der Kirche
gelobt, dich immer zu lieben?« León streichelte dabei verführerisch über ihre
Brust, ganz so, als habe er bei seinem Gelöbnis ausschließlich Dinge im Sinn
gehabt, von denen der Pfarrer nicht die geringste Ahnung hatte. »Wer außer dir
hätte mir schließlich auf solch angenehme Weise zu so viel Respektabilität
verholfen?«
Vita entwand sich seiner Umarmung und drehte
sich von León ab. War ihm eigentlich klar, wie sehr er sie beleidigte? Welche
Frau, welche junge Braut wollte schon hören, dass sie nur um ihrer körperlichen
Vorzüge und um ihres guten Namens willen geheiratet worden war? Sie grübelte
darüber nach, wie sie ihm diese Frechheit heimzahlen könnte, bis ihr, kaum eine
Minute später, die Augen zufielen. Vitória sank in einen tiefen, traumlosen Schlaf,
während León noch Stunden später ungläubig das wunderschöne Märchenwesen
betrachtete, das neben ihm lag und in gleichmäßigen Atemzügen die Brust hob.
Seine Frau. Vitória Castro da Silva. Auf immer.
XVIII
Der Markt war zu Ende. Félix trat nach einer
verfaulten Maracuja, die neben allerlei anderem Unrat auf der Straße lag, und
schoss sie in hohem Bogen gegen ein Haus. Dort zerplatzte sie, und der Anblick
des gallertartigen Fruchtfleischs mit den schwarzen Kernen, das zäh an der weiß
gekalkten Wand herunterlief, erfüllte Fél ix mit einem diffusen Gefühl der
Befriedigung. Was war nur los mit ihm? Was machte er falsch, dass sich alle
Welt gegen ihn verschworen hatte? Reichte es nicht, dass er im Kontor unerträglichen
Schikanen ausgeliefert war? Mussten sich auch noch seine Freunde gegen ihn
wenden?
Dass er nicht zu Leóns Hochzeit kommen durfte,
konnte Félix ja noch einsehen, so schmerzlich es auch war. Aber dass
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