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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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mit einem Taschentuch das Gesicht trocken
und kramte in seiner Aktentasche nach den Veilchenpastillen, die er für solche
Gelegenheiten immer dabeihatte.
    Joana ließ sich so einfach nicht täuschen,
enthielt sich jedoch eines Kommentars. Seit Monaten schon beobachtete sie eine
Veränderung in Pedro, die ihr nicht gefiel. Er wurde von Tag zu Tag gereizter
und war manchmal sogar gegenüber den Dienstboten aufbrausend. Er regte sich über
Kleinigkeiten auf, die er früher überhaupt nicht bemerkt hätte, einen leicht
angebrannten Braten etwa oder die nicht ganz korrekt gestärkte Schürze von
Maria do Céu. Er war dabei nie ungerecht oder gar verletzend, und im Vergleich
zu anderen Männern war Pedro weiterhin ein Ausbund an Sanftmütigkeit. Doch
Joana entgingen nicht die kleinen Anzeichen seines sich ändernden Gemüts. Genau
wie João Henrique führte sie sie auf die Arbeit Pedros zurück, von der sie
wusste, dass er sie hasste.
    »Ich habe heute einmal Lust auf ein richtig schönes,
deftiges Essen«, sagte er nun zu Joana, als Maria do Céu das Essen auftrug, das
aus einer Consommé und einem Gemüseauflauf bestand. »Ich kann diese > leichte
Sommerküche < , wie du sie nennst, nicht mehr sehen. Mir ist mehr nach ein
paar fetten Würsten, Bratkartoffeln, Maniokpüree, gebratenem Schinken. Es ist
schließlich nicht Sommer.«
    »Bitte sehr, wie der Herr wünschen.« Joana sah
an Pedro herab. Er hatte schon den Ansatz eines kleinen Bäuchleins, und wenn er
weiter so viel aß und trank – denn dass er immer öfter dem Alkohol zusprach,
war offensichtlich –, würde er bald aussehen wie der dicke Senhor Alves.
    »Ach, Joana, sieh mich nicht so streng an. Diese
Arbeit macht mich kaputt, mein Nervenkostüm braucht Fett. Wenn wir diese Phase
hinter uns haben, werde ich deine > leichte Sommerküche < zu würdigen
wissen.«
    Doch tief in seinem Innern wusste Pedro, dass es
sich nicht nur um eine schwierige Phase handelte, die bald vorüber sein würde.
Als seine Zukunft noch in der Aussicht auf ein Leben als reicher Kaffeebaron
bestanden hatte, war ihm die schwere Arbeit beim comissionista Ferreira
leicht gefallen. Sie war wie ein exzentrischer Zeitvertreib gewesen, ein spleen, wie Charles Witherford dazu sagte. Es war einfach, stickige Räume zu
ertragen, wenn man wusste, dass die Qual vorübergehender Natur war, dass man
die Zukunft in großzügigen, luftigen Salons und auf dem Rücken rassiger Vollblüter
verbringen konnte. Es war eine lehrreiche Erfahrung gewesen, sich mit Kollegen
anzufreunden, die über weit weniger Bildung und Geld verfügten als er, aber es
war eine düstere Vorstellung, den Rest seiner Tage zehn Stunden täglich mit Männern
zu verbringen, die den Unterschied zwischen einem Sauternes und einem Sancerre
nicht kannten. Es hatte ihm Spaß gemacht, sein verkäuferisches Talent unter
Beweis zu stellen, doch es war gewiss keine Beschäftigung, die er die nächsten
dreißig Jahre ausüben wollte, schon gar nicht, wenn der Gewinn in den Taschen
seiner Arbeitgeber landete.
    »Komm«, sagte er jetzt und nahm Joana bei der
Hand, »lass uns in der Küche nach etwas Genießbarem fahnden. Luiza wird sich
freuen, wenn wir ihr einen Grund liefern, uns auszuschimpfen. Und sie wird sich
noch mehr freuen, wenn sie endlich wieder einmal jemanden mit ihren öligen
Aipim-Klößchen verwöhnen kann.«
    Luiza, die alte Köchin von Boavista, riss die
Augen auf, als ihre Herrschaft in der Küche erschien, wo sie gerade ihre Pfeife
stopfte, die sie nach getaner Arbeit immer draußen im Hof rauchte.
    »Sinhô Pedro, Sinhá Joana, was fällt euch
Kindern ein, mich so zu erschrecken?«
    »Die Kinder« sahen sich an und lachten wie nach
einem gelungenen Streich. Luiza war so leicht zu durchschauen! Wie von Pedro
prophezeit, machte sie sich mit großer Genugtuung an die Zubereitung ihrer bolinhos
de aipim, die sie mit einer würzigen Fleischpaste füllte. Pedro und Joana
sahen ihr dabei zu, und Joana drückte aufmunternd Pedros Hand, als wollte sie
ihm damit sagen, dass alles gut würde.
    Sie aßen die kleinen, fetttriefenden Klößchen im
Stehen in der Küche, leckten sich danach die Finger ab und hörten sich dazu
Luizas Predigt über den Sittenverfall im Allgemeinen und die Respektlosigkeit
der Jugend im Besonderen an. Sie wussten, dass Luiza entzückt war, sie hier in
der Küche zu haben, und ebenso sicher wussten sie, dass sie nach dem Essen eine
Tasse cremiger Schokolade bekommen würden. Heiße Schokolade war

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