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Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
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Luizas
Wundermittel gegen jede Art von Wehwehchen, seien sie geistiger oder körperlicher
Natur, und tatsächlich wirkte das Getränk wie Balsam auf Pedros verletzte
Seele.
    Als Pedro den dicken, süßen Kakaosatz mit einem
Löffel aus der Tasse gekratzt hatte, umarmte er Luiza und drückte ihr einen
Kuss auf die ledrige Wange. »Wenn wir dich nicht hätten!«
    »Ach, Pedro, rede keinen Unsinn. Ihr habt mich
doch nur aus Mitleid aufgenommen. Und dafür lasst ihr mich altes, nutzloses
Weib hier so hart arbeiten wie eine Pflückerin.« Luiza neigte, wenn sie gerührt
war, zu brüsken Worten. Der liebe Gott hatte es besser mit ihr gemeint, als sie
es verdient hatte.
    Als Eduardo und Alma da Silva nach Rio
aufgebrochen waren, um bei der Sinhazinha zu wohnen, hatten José und Luiza die
beiden selbstverständlich begleitet. Während andere Leute ihre treuen Sklaven
einfach wegschickten, erleichtert darüber, dass die neue Gesellschaftsordnung
ihnen die Verantwortung abnahm, sich um die alten, kranken und gebrechlichen
Schwarzen zu kümmern, hatten ihre Herrschaften sich wie wirklich feine Leute
benommen. Sie zahlten José, für den im Haus der Sinhazinha beim besten Willen
kein Platz mehr war, eine großzügige Leibrente, die es ihm erlaubte, auf seine
alten Tage ein sorgenfreies Leben zu führen. Er wohnte jetzt bei Felix, den er
mit Leóns Hilfe ausfindig gemacht hatte, doch ab und zu schaute er hier bei ihr
vorbei, der alte Charmeur, und machte ihr den Hof. Für Luiza, die trotz ihres
Alters noch eine robuste und tatkräftige Person war, hatte man in Pedros
Haushalt Verwendung gefunden. Luiza fand, dass sie damit das große Los gezogen
hatte, denn keine Rente der Welt konnte sie mehr beglücken als das Gesicht
ihres Lieblings Pedro, wenn er ihre Leckereien naschte.
    »Diese Frau ist wirklich ein Segen«, fand auch
Joana, als sie später bei einem Likör auf dem Sofa im Salon saßen. »Trotzdem finde
ich ihre Schokolade zu süß.«
    »Ach was. Sei froh, dass sie keinen Pfeffer
hineintut. Das hat sie nämlich früher getan, als ich noch klein war, weil sie
Pfeffer für ein Gewürz hielt, das heilsam ist und zugleich vornehm. Dasselbe
dachte sie auch von Nelken, Zimt, Koriander, Vanille und Lorbeer – alle
Gerichte, die sie auftischte, Hauptgerichte wie Desserts, hatten denselben
Geschmack.«
    Joana lächelte Pedro verliebt an. Daher hatte er
also seine Vorliebe für starke Gewürzmischungen.
    »Bis Dona Alma eines Tages einen französischen
Koch einstellte und Luiza wieder zur Küchenmagd degradierte. Das war zu viel für
Luiza. Sie schaute dem Mann genau auf die Finger, ekelte ihn mit ihren kleinen
Gemeinheiten aus dem Haus und imitierte seine Kochkünste so überzeugend, dass
sie wieder als Köchin arbeiten durfte. Aber ich glaube, dass sie insgeheim bis
heute ihre eigenen damaligen Kreationen für die besseren hält. Ich weiß, dass
sie in ihre eigene Tasse Schokolade Pfeffer streut.«
    Joana lachte und erzählte von den höllischen
Qualen, die ihr indischer Koch ihnen damals in Goa bereitet hatte, woraufhin
Pedro die Anekdote von seinem Besuch in einer Indio-Siedlung berichtete, wo er
mit den Fingern einen undefinierbaren Brei hatte essen müssen, der in Bananenblättern
serviert worden war. So ging es noch mindestens eine Stunde. Sie tauschten in
entspannter Atmosphäre Kindheitserinnerungen aus, Erinnerungen an eine Zeit, in
der sie mit schwarzen oder braunen Kindern befreundet waren, deren Hütten so
viel aufregender waren als ihre eigenen schönen Häuser; eine Zeit, in der sie
gigantische Kakerlaken oder tote Fische am Ufer eines Sees untersucht und
verletzte Vögel von ihren Ausflügen mit heimgebracht hatten; eine Zeit, die
Joana auf immer mit dem fauligen Geruch von Fischernetzen auf morschen Booten
verbinden würde und Pedro mit dem süßlich-modrigen Geruch der trocknenden
Kaffeekirschen.
    »Diese akkuraten Bahnen, die im Hof ausgelegt
wurden, haben Vita und mich immer dazu gereizt, hindurchzulaufen und die
Symmetrie zu zerstören. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Millionen
Fliegen wir damit aufgescheucht haben! Und wie der verantwortliche Sklave,
Carlos, hinter uns her war, wenn er uns erwischte!« Pedro sah Joana traurig an.
»Aber das ist vorbei. Für immer. Sollte es dann doch eines Tages mit unserem
Nachwuchs klappen, so werden unsere Kinder nie erleben, wie es ist, auf einem
Kaffeefeld Verstecken zu spielen.«
    »Ist es das, was dich in letzter Zeit so beschäftigt?
Unsere Kinderlosigkeit?«

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