Ana Veloso
seit Pedros Tod plagten. Ein Segen – er wollte ja nicht einen solchen
Narren aus sich machen wie Aaron Nogueira.
Aaron flennte hemmungslos. Er war Pedro aus dem
Weg gegangen, weil er dessen unausgesprochene Vorwürfe nicht ertragen hatte.
Aaron wusste genau, wie Pedro unter dem Klatsch litt, der sich um ihn und Vita
drehte, und doch hatte er nichts dagegen unternommen, sich sogar im Gegenteil
geschmeichelt gefühlt, dass man ihm eine Liaison mit dieser großartigen Frau
zutraute. Seine Verliebtheit hatte ihn derart verblendet, dass er seinen besten
Freund vernachlässigt hatte. Jetzt war Pedro tot, und Vita hatte sich von ihm
abgewandt. Nach Pedros Tod hatte er die Nacht in dessen Haus verbracht, weil
Joana ihn darum gebeten hatte. In seinem Gästezimmer, das gleich neben dem von
Vita und León lag, hatte er die ganze Nacht kein Auge zugetan. Bis heute
verfolgten ihn die Geräusche, die allzu klar bewiesen, was er nicht hatte
wahrhaben wollen: Vita und León liebten sich noch immer. Er hatte keine Chance.
Und für diese aussichtslose Sache hatte er seinen besten Freund im Stich
gelassen!
Félix hatte die Bilder in seinem Medaillon, die
seine Eltern zeigten, so oft studiert, dass sich ihm jede Einzelheit tief ins
Gedächtnis eingegraben hatte. Das Gesicht des Mannes auf der Fotografie war
nicht erkennbar gewesen, anders als der edelsteinbesetzte Schaft und der
kunstvoll verzierte Griff – dieser Säbel, der jetzt auf Blumen und unter
zerlaufenen Erdklumpen lag, war derselbe wie der auf dem Bild. Und das würde ja
bedeuten ... o Gott, das konnte nicht sein!
Warum hatte er diesen Säbel nie vorher gesehen?
Er hatte im Herrenhaus auf Boavista jeden Winkel gekannt, hatte Zutritt zu
allen Räumen gehabt. Wo hatte Sinhô Eduardo die Waffe versteckt gehabt? Hätte
er, Félix, doch nur früher diesen Säbel entdeckt! Wie anders wäre sein Leben
verlaufen, wenn er einen Vater gehabt hätte!
Nein, ging es Félix plötzlich auf, er hatte ja
einen gehabt, hatte ihn noch. Und der hatte ihn verleugnet. Da war ihm José ein
viel besserer Vater gewesen. Ja, sein Leben wäre anders verlaufen, hätte er
gewusst, dass der reiche Senhor Eduardo da Silva sein Vater war. Er hätte sich
durch dessen Ablehnung tiefer gedemütigt gefühlt als durch die niedrigsten
Arbeiten, die man ihm aufgetragen hatte. Er hätte um seine Aufmerksamkeit
gebuhlt, hätte sich Hoffnungen auf ein Erbe gemacht, hätte Pedro und Vitória,
seine Halbgeschwister, neidisch beäugt. Jesus, sein Halbbruder lag dort im
Grab!
Félix bekreuzigte sich. Sein Leben wäre schlechter
verlaufen, das wäre es! Womöglich läge er jetzt auch schon unter der Erde, an
vergeblichen Hoffnungen und zerstörten Illusionen zu Grunde gegangen. Sein
vaterloses Leben war gut zu ihm gewesen, und es würde nur jeden Tag besser
werden. Er hatte einen wunderbaren Sohn, eine fantastische Frau, ein gut
gehendes Geschäft, ein eigenes Haus. Das war mehr, als Pedro besessen hatte.
Warum sollte Félix sich wünschen, der Sohn eines gebrochenen alten Mannes zu
sein? Eines Mannes, der ihn, seinen leiblichen Sohn, als Sklaven gehalten
hatte. Eine unbezähmbare Wut stieg plötzlich in Félix auf. Wie konnte man dem
eigenen Kind nur so etwas antun? Er war selber Vater, und er konnte sich nicht
vorstellen, dass er seinen Felipe jemals mit einer ähnlichen Grausamkeit behandeln
würde. Als Félix vom Grab zurück in die Reihe der Trauernden trat, ging er ganz
nah an Eduardo vorbei. Er sah ihm in die Augen – wie blind war er gewesen, dass
er nicht vorher die Ähnlichkeit ihrer Augenfarbe bemerkt hatte? – und hielt ihm
Felipe entgegen. Als Eduardo die Hand nach dem Kind ausstreckte, wandte Félix
sich ab und ging davon.
Eduardo da Silva musste von zwei kräftigen
jungen Männern gestützt werden, als er den Friedhof verließ. Welche Schuld
hatte er nur auf sich geladen? Wurde er jetzt der gerechten Strafe zugeführt?
Er hatte die Liebe seiner Frau verloren, als diese Sklavin, wie hieß sie noch?,
mit seinem Kind schwanger geworden war, was wiederum nicht passiert wäre, wenn
Alma nicht unmittelbar nach Vitórias Geburt ein eigenes Schlafzimmer bezogen hätte.
Er hatte sechs Kinder begraben, fünf eigene, und den Tod eines davon selber
herbeigeführt. Pedro könnte jetzt das sorglose Leben eines wohl situierten
Fazendeiros führen, wenn er, Eduardo, nicht so unfähig gewesen wäre oder wenn
er auf Vita gehört hätte. Aber welcher Mann nahm schon seinen kleinen Engel
ernst, wenn es sich um
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