Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
Vom Netzwerk:
selbstverständlich ebenfalls tun, dachte Vitória. So schwer
war es ja nun wirklich nicht, Wasser in einem Kessel zum Kochen zu bringen.
Aber für niedere Verrichtungen im Haushalt war sich ihre Freundin wohl einfach
zu fein.
    Als Vitória aus der Küche zurückkehrte, richtete
sich Eufrásia in ihrem Sessel auf. »Vita, nun spann mich nicht so auf die
Folter. Erzähl schon – hat Rogério dir endlich einen Antrag gemacht?«
    Rogério! Den hatte Vitória schon fast vergessen.
»Nein, aber jetzt, wo du es sagst: Er hätte mir wirklich schon längst einen
machen sollen. Den ich natürlich abgelehnt hätte.«
    Die beiden brachen in Lachen aus. »Weil ich«,
fuhr Vitória fort, »jemand anderen kennen gelernt habe.«
    In knappen Sätzen erzählte sie ihrer Freundin
von Pedros Besuch, von seinen Gästen, von León. Ihre Stimme war ruhig, und
weder ihre Körperhaltung noch ihre Mimik verrieten etwas von dem Aufruhr, der
in ihrem Herzen herrschte. Entlarvende Details ließ sie in ihrem Resümee unter
den Tisch fallen. Mit keiner Silbe erwähnte Vitória die Komplimente, die León
ihr zugeflüstert hatte, kaum dass sie ein paar Minuten unter vier Augen waren;
die begehrlichen Blicke, mit denen er sie bedacht hatte, als sie im engen
Reitdress auf ihrem Pferd saß; die Atemlosigkeit, die sie befiel, sobald León
einen Raum betrat; oder die Röte, die ihre Wangen überzog, als León wie zufällig
ihren Arm gestreift hatte. Sein unverschämtes Grinsen, seine makellosen Zähne,
seine dunklen, schrägen Augen mit den dichten Wimpern – all das verschwieg sie
Eufrásia. Mit gespielter Überlegenheit hielt sie sich, als die Freundin wissen
wollte, wie dieser ominöse Fremde aussah, an die Tatsachen. Wie sollte sie auch
den Zauber beschreiben, der von seinem Lachen ausging, wenn sich seine hohlen
Wangen in Falten legten? Wie die Faszination seines Blickes, der feurig und
zugleich melancholisch war und in dem Vitória auf immer hätte versinken mögen?
Wie den Charme seines markanten Kinns, auf dem abends immer ein bläulicher
Schimmer zu sehen war? Nie und nimmer würde sie in Worte fassen können, was sie
empfand, wenn er mit seinen großen, gut geformten Händen gestikulierte und sich
seine Muskeln unter dem dünnen Batisthemd spannten. Und wie sollte sie den
Schauer formulieren, der über sie kam, wenn sie seinen geschmeidigen Körper aus
den Augenwinkeln bewunderte, seine breiten Schultern und die schmalen Hüften?
Kein Gramm Fett war an ihm. Er bewegte sich mit der Anmut und der trägen Lässigkeit
einer Katze, doch als er bei der Abreise den schweren Koffer Joãos auf die
Kutsche gehievt hatte, offenbarte sich die geballte Kraft, die unter seiner
bronzefarbenen Haut steckte.
    Stattdessen beschrieb sie ihn als »durchschnittlich
groß, dunkelhaarig, bartlos«. Und so war es ja auch.
    »Aber Vita, was findest du denn um Gottes willen
an dem Mann? Er hat einen schlecht bezahlten Beruf, sieht nicht besonders gut
aus und hat zu allem Überfluss auch noch absolut verwerfliche politische
Ansichten!«
    »Ich weiß auch nicht. Er hat ... das gewisse
Etwas.«
    »Meine Güte, Vita! Du kannst jeden haben. Wirf
dich bloß nicht einem dahergelaufenen Kerl an den Hals, nur weil er eine
irgendwie mysteriöse Aura hat. Nach allem, was du mir erzählt hast, scheint er
mir nichts weiter zu sein als ein Hochstapler.«
    »Ich habe nicht vor, mich irgendjemandem an den
Hals zu werfen. Mit dem Heiraten habe ich es ohnehin nicht eilig. Glaubst du,
ich wollte die Abhängigkeit von meinem Vater gegen die von einem Ehemann
eintauschen? Nein, ich will, sobald ich einundzwanzig bin, selber bestimmen,
was mit mir und vor allem mit meinem Geld passiert. Aber das schließt ja nicht
aus, dass ich ein wenig flirte, oder?«
    »Vita, das wird ja immer haarsträubender! Du
kannst doch nicht einfach mit jemandem schäkern, der nicht ein potenzieller
Heiratskandidat wäre.«
    »Natürlich kann ich. Versteh doch, Eufrásia, es
ist nur ein Spiel. Es steckt nichts dahinter, es macht einfach nur Spaß.« Das
entsprach nicht ganz der Wahrheit. In Vitórias Augen steckte durchaus etwas
dahinter, aber niemals würde sie zugeben, dass sie drauf und dran war, sich in
jemanden zu verlieben, den sie kaum kannte.
    »Er hat mir geschrieben. Hier.« Vitória zog den
Brief aus ihrem bestickten Beutelchen und reichte ihn Eufrásia. Es wäre ihr
unangenehm gewesen, ihn vorzulesen, ganz so, als entehrte sie ihn mit ihrer
Stimme, als beraube sie ihn damit all seiner

Weitere Kostenlose Bücher