Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ana Veloso

Ana Veloso

Titel: Ana Veloso Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Duft der Kaffeeblüte
Vom Netzwerk:
hypnotisierenden Wirkung.
    Eufrásia nahm den Brief an sich und begann, laut
vorzulesen.
    »Meine liebe Vita.«
    »Eufrásia, nein!«, rief Vitória aus. »Bitte lies
ihn für dich.«
    Die Freundin zog die Stirn kraus und las.
    Meine liebe Vita, hoch verehrte Sinhazinha,
    Sie haben mir und den anderen Freunden Ihres
Bruders unvergessliche Tage auf Boavista bereitet. Gestatten Sie mir, nun auch
Ihnen ein wenig wohlverdiente Abwechslung zu verschaffen und Sie in die
Hauptstadt einzuladen: Am 25. Oktober ist die Premiere eines Theaterstückes, in
dem die göttliche Marquez die Hauptrolle spielt und von dem schon jetzt die
ganze Stadt spricht. Ich habe zwei Logenplätze ergattert – und kann mir keine
charmantere Begleitung als Sie vorstellen. Werden Sie es einrichten können?
    In vermessener Erwartung Ihrer Zusage und in
genussvoller Unterwerfung
    Ihr Sklave León
    Eufrásia zog die Mundwinkel abfällig nach unten.
»Was soll das sein? Wenn dieser läppische Wisch, der noch dazu vor Frechheit
strotzt, Teil eures > spaßigen < Spiels ist, dann musst du den Verstand
verloren haben. Und wieso nennt er dich Sinhazinha und sich selber deinen
Sklaven? Kein normaler Mensch stellt sich auf eine Stufe mit den Negern.«
    Vitória erzählte ihrer Freundin von dem anfänglichen
Missverständnis, wie León sie immer wieder damit aufgezogen hatte und wie sie
schließlich, um nicht als humorlos zu gelten, sein Spiel mitgespielt hatte –
ohne es wirklich komisch zu finden. Ja, gestand sie Eufrásia, er lege eine
gewisse Impertinenz an den Tag. Aber sie verschwieg ihr, wie anregend sie seine
Art fand, die sich so sehr von den manierierten Umgangsformen der jungen
Fazendeiros unterschied. León brachte es fertig, ihr die größten Unverschämtheiten
mit einer derartigen Liebenswürdigkeit an den Kopf zu werfen, dass sie immer
erst zu spät begriff, was er eigentlich gesagt hatte, und darauf nicht angemessen
reagieren konnte. Die halbe Zeit war sie damit beschäftigt gewesen, an
Antworten herumzukauen, die sie ihm hätte geben können. Und was ihr im
Nachhinein alles eingefallen war! Es wäre so leicht gewesen, ihn aus der Ruhe
zu bringen. Doch sosehr sie sich auch vorgenommen hatte, ihm bei der nächsten
Gelegenheit mit einer schlagfertigen Antwort zu begegnen, nie war es ihr
gelungen. Immer war er ihr einen Schritt voraus gewesen. In Diskussionen mit León
war ausnahmsweise sie, so schien es Vitória, immer die Unterlegene. Sie, die
kein Streitgespräch scheute und die alle, die ihr nahe standen, mit ihrer
Rhetorik in Grund und Boden reden konnte! In Leóns Gegenwart ließ ihr scharfer
Verstand sie im Stich, außer Gefecht gesetzt von dem Klang seiner schönen Baritonstimme
und seinen glühenden Blicken. Wie schaffte er es nur so mühelos, sie aus der
Fassung zu bringen? Wieso fühlte sie sich wie ein dummes Mädchen, wenn er mit
ihr sprach, aber wie eine verführerische Frau, wenn er sie ansah?
    »Weißt du, Eufrásia, seine Ausstrahlung lässt
sich kaum beschreiben. Du müsstest ihn sehen, dann wüsstest du sofort, was ich
meine. Und vielleicht hast du schon bald die Gelegenheit dazu.«
    »Was soll das
heißen? Kommt er etwa wieder?«
    »Nein, es heißt, dass ich seine Einladung annehmen
werde. Aber ich muss mir einen guten Vorwand einfallen lassen, um von Boavista
zu verschwinden. Allein, wohlgemerkt. Ich fürchte, dass mein Vater eine
Theaterpremiere als Grund nicht gelten lässt.«
    »Und da hast du an mich gedacht.« Wenn es darum ging,
die Eltern zu hintergehen, war Eufrásias Auffassungsgabe wirklich unschlagbar,
das musste Vitória ihr lassen.
    »Ich könnte Papai erzählen, dass du in familiären
Angelegenheiten dringend nach Rio reisen musst und mich gebeten hast, dich zu
begleiten. Das würde er mir sofort abnehmen. Weiterhin könnte ich ihm sagen,
dass Maria da Conceição und Luiz uns begleiten – er weiß ja nicht, dass sie
nicht mehr bei euch sind. Und wir zwei hätten Gelegenheit, uns ein paar nette
Tage in Rio zu machen. Wir müssten zwar Pedro einweihen, schließlich müssen wir
irgendwo wohnen, aber ich denke, dass mein Bruder uns decken würde. Für diese
Art von Spaß ist er immer zu haben. Deiner Mutter erzählen wir die umgekehrte
Variante, dass ich dringend nach Rio müsste und dich als Begleitung mitnehmen
wollte.«
    Eufrásia überlegte kurz, dann nickte sie.
    »Also gut. Aber nur unter einer Bedingung: Dein
León besorgt auch mir eine Karte fürs Theater.«
    »Eine seiner leichtesten Übungen, davon bin

Weitere Kostenlose Bücher