Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
wurde im Sanatorium ein Mord verübt, in dessen Zusammenhang die Kamenskaja selbst und ihr Geliebter Ismailow verhört werden. Sie waren angeblich die letzten, die den Ermordeten vor seinem Tod gesehen haben.«
»Haben Sie Swetlana und Wlad das Foto von Ismailow gezeigt?«
»Ja. Sie haben ihn niemals gesehen.«
»Eigenartig. Aber insgesamt sieht es so aus, Tolja, als ob du recht hast. Dieser Makarow, dem wir schon so lange auf der Spur sind, hält sich derzeit im Sanatorium auf. Vieles paßt nicht zusammen, es gibt viele Ungereimtheiten, es gibt sogar ausgesprochene Widersprüche, aber das zeigt auch, daß etwas passiert ist. Denn früher hat es das nicht gegeben, oder?«
»Nein, das hat es nicht gegeben, Eduard Petrowitsch.«
»Bitte unseren Freund von der Polizeidirektion hierher, sei so gut.«
Als Starkow gegangen war, kehrte Eduard Petrowitsch Denissow in sein Zimmer zurück und dachte nach. Das Mädchen und der Liliputaner waren ein phantastischer Glücksfall, zumindest wurde klar, daß es eine fremde Organisation auf seinem – Denissows – Terrain gab. Etwas weniger klar war, was sie hier machten. Und völlig unklar war, wer sie waren.
Und wer war Ismailows Geliebte Kamenskaja? Schachnowitsch hatte nichts über sie herauskriegen können. Das machte ihn stutzig. Shenja und unfähig, sich das Vertrauen einer Frau zu erschleichen! Sie hatte offenbar etwas zu verbergen, deshalb war sie so verschlossen. Da mußte man dranbleiben.
Aber in der jetzigen Situation gab es noch einen anderen Aspekt, der nicht weniger kompliziert war. Der Mord in der ›Doline‹ mußte aufgeklärt werden, koste es, was es wolle. Einerseits war es ihm, Denissow, wichtig, mit dieser Bande von Eindringlingen fertig zu werden. Andererseits waren ihm zumindest bis zum Jahresende die Hände gebunden, wenn das Verbrechen nicht aufgeklärt wurde. Von den im Juli besprochenen zwei Möglichkeiten, einer) perfekten Mord zu organisieren, hatte er bereits eine angewandt, um einen Erpresser aus dem Nachbarbezirk auszuschalten. Die zweite Variante plante Eduard Petrowitsch gegen einen seiner Schützlinge anzuwenden, falls sich die Informationen seines Aufklärungsdienstes bestätigen sollten und sich herausstellte, daß er sich tatsächlich mit der Drogenmafia zusammengetan und ihr gestattet hatte, über seine Bank Geld zu waschen. Die Überprüfung der Informationen würde bald abgeschlossen sein. Wenn es nötig sein sollte, den Schützling zu bestrafen, durfte er keinesfalls bis Anfang nächsten Jahres warten: In den verbleibenden zwei Monaten würde er soviel Mist machen, daß ein Ansturm der Drogenfahnder auf die STADT unvermeidlich sein würde. Das durfte auf keinen Fall passieren. Der Schuldige mußte beseitigt werden, damit er nicht noch mehr Schaden anrichten konnte. Wenn das Verbrechen im Sanatorium nicht aufgedeckt werden konnte, wollte Eduard Petrowitsch das mit der örtlichen Polizei geschlossene Abkommen jedoch nicht brechen, um nicht eine Überprüfung durch das Ministerium zu provozieren, nur weil die Aufklärungsrate von Morden so deutlich abgesunken war. Er, Denissow, mußte alles versuchen, damit das Verbrechen in der ›Doline‹ aufgedeckt wurde. Er konnte mit Geld, mit Leuten, mit Technik nachhelfen, all das stand in seiner Macht. Das würde ihm ermöglichen, nötigenfalls mit dem unloyalen Zögling abzurechnen.
Der Mann von der Polizeidirektion ließ nicht lange auf sich warten. Ernsthaft, elegant, beinahe schön, wenn man die zu kleinen, tiefsitzenden Augen außer acht ließ, die er hinter seiner getönten Brille versteckte. Denissow kam ohne Umschweife zur Sache.
»Erstens: Ich möchte klären, was für eine Gesellschaft sich da in der ›Doline‹ eingenistet hat. Zweitens: Ich will, daß der Mord im Sanatorium aufgeklärt wird. Wie Sie das machen werden, auf ehrliche Weise oder nicht, interessiert mich nicht. Die Sache muß mit einer Anklage enden und dem Gericht übergeben werden. Und zwar so schnell wie möglich. Morgen berichten Sie mir, welche Unterstützung Sie dabei brauchen. Wenn Sie den wirklichen Mörder finden können –um so besser. Wenn nicht – so wichtig ist das auch wieder nicht. Ich brauche meine Reserve, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
»Ich verstehe.« Der Mann mit der Brille nickte. »Und drittens?«
»Drittens möchte ich wissen, wer diese Kamenskaja ist. Sie macht eine Kur in der ›Doline‹ und belegt das Zimmer fünfhundertdreizehn. Schachnowitsch hat sich an ihr die Zähne
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