Anastasija 01 - Auf fremdem Terrain
provozieren . . ., stimmt’s? Und ich hätte nachgegeben. Jetzt erklär mir, was das alles zu bedeuten hat.«
Sie redeten fast eine Stunde und verstummten nur dann, wenn die Musik leiser wurde. Dann gingen sie in die Bar. Natürlich hätte Nastja es vorgezogen, in den Park zu gehen, aber dafür hätte sie in ihr Zimmer gehen und sich Jacke und Schal holen müssen. Das hätte jedoch ein Zusammentreffen mit Regina Arkadjewna zur Folge gehabt, und dazu war Nastja noch nicht bereit.
Jura konnte einfach nicht glauben, was Nastja erzählte.
»Versteh doch, Jura, ich will mit diesen Leuten nichts zu tun haben. Ich will es nicht und damit basta. Komm, lassen wir das.«
»Aber Nastja, das ist doch töricht. Das ist richtig kindisch«, sagte Korotkow unwillig. »Du, eine erwachsene kluge Frau, kannst nicht ernsthaft auf deinen Kollegen sauer sein. In Ordnung, jemand hat im falschen Ton mit dir gesprochen! Und jetzt wirst du dich aufhängen, oder was?«
»Warum sollte ich mich aufhängen?« Nastja lächelte verhalten. »Es kann doch sein, daß ich einfach nichts mit ihnen zu tun haben will. Genauso verhalte ich mich. Die haben nicht einfach im falschen Ton mit mir gesprochen. Hinausgeworfen hat man mich wie einen Bettler, der mit ausgestreckten Händen an der Tür einer Luxusvilla klopft.«
»Nastjenka, sie haben schon alles begriffen und eingesehen und sind bereit, deine Hilfe anzunehmen. Sie haben ja nicht gewußt, daß du aus Gordejews Abteilung kommst.«
»Sie wollten es auch nicht wissen. Bei denen ist die Devise ›Alle Weiber sind doof‹ ein Lebensprinzip. Sie sind gute Menschen und qualifizierte Fachleute. Aber Menschen, die nach dieser Devise leben, sind mir unangenehm. Sie sind mir zuwider. Mögen sie lange und glücklich leben, gebe Gott ihnen Gesundheit und Segen, aber zwinge mich nicht, mit ihnen zusammenzuarbeiten. Ich werde ihnen nicht behilflich sein.«
»Nastja, was willst du damit erreichen? Daß der Polizeichef vor dir auf die Knie fällt? Bist du dann dazu bereit?«
»O nein.« Sie lächelte verschmitzt. »Sie kommen zu spät. Wenn sie heute, vor deiner Ankunft, ganz einfach zu mir gekommen wären, das wäre etwas anderes. Glaubst du, ich habe nicht mit mir selbst gerungen? Denkst du, ich habe nicht versucht, sie zu rechtfertigen? Von Anfang an, seit dem Augenblick, wo sie Knüppelchens Bitte nicht nachgekommen sind und mich nicht vom Bahnhof abgeholt haben.«
»Aber das Zimmer haben sie dir doch besorgt, wie sie es versprochen hatten.«
»Ja? Nichts haben sie gemacht. Ich mußte darum bitten und mich erniedrigen.«
»Aber du wohnst doch allein in einem geräumigen Zimmer«, wunderte sich Jura.
»Ja, gegen Bestechung«, antwortete Nastja. »Also, ich habe mir alle möglichen Rechtfertigungsgründe für deinen Freund Golowin und für den Leiter der Untersuchung ausgedacht, ich habe lange gewartet, aber dann habe ich mir überlegt: Wozu eigentlich? Die Leute sind überzeugt, daß sie alleine zurechtkommen, warum soll ich mich ihnen als Frau mit meiner Hilfe aufdrängen? Wenn sie mich brauchen, werden sie freiwillig kommen. Und ich werde mich nicht zieren und schmollen und die gekränkte Unschuld spielen. Wenn sie mich bitten, helfe ich.«
»Aber sie bitten dich ja. Was bist du denn so stur?«
»Nein, Korotkow, nicht sie bitten mich. Du bittest mich. Sie hielten es nicht für notwendig, ihren Arsch vom Stuhl zu erheben und mit mir normal zu reden. Meinetwegen müssen sie sich nicht entschuldigen, aber wenigstens reden! Ach was, das ist unter ihrer Würde, eine Frau um etwas zu bitten. Dir, Jura, schlage ich nichts aus. Darauf kannst du dich verlassen. Aber bedenke, sobald du hier fertig bist und abreist, erfahren sie von mir kein Wort. Ich denke, es wird besser sein, daß du sie rechtzeitig darauf vorbereitest, damit es nachher keine Mißverständnisse gibt. Und nimm meine Hand, sonst wird unser Gespräch zu angespannt, und wir wirken wie in einer Diskussionsrunde.«
* * *
Damir begriff nicht gleich, was Kotik von ihm wollte.
»Du mußt weiterhin der Kamenskaja den Hof machen. Verbring so viel Zeit wie möglich mit ihr.«
»Aber das ist gefährlich. Ich sage dir, die Kripo interessiert sich für sie, ich habe es rein zufällig erfahren. Sie hegen irgendeinen Verdacht und beobachten sie. Wenn ich um sie herumscharwenzle, nehmen sie sich auch mich vor. Aua!« Damir verzog wehleidig das Gesicht.
Kotik, der gekonnt Damirs Beine massierte, lachte zufrieden. Er wollte, daß es weh tat.
»Das
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