Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers
langwierig, monoton und anstrengend die Übungen auch sein mochten. Er hatte höchste Perfektion erreicht und hütete seine Kunst wie einen Augapfel. Aus langjähriger Erfahrung wusste er, dass Unannehmlichkeiten und Stress sich sofort negativ auf seine Leistungskraft auswirkten.
Eine solche Unannehmlichkeit stellte für Larkin das völlig unerwartete Auftauchen eines Mannes dar, der Anspruch auf seine Dienste erhob. Er erinnerte sich noch gut daran, wie man ihn zum ersten Mal angeworben hatte. Ein KGB-Mann war in dem Konstruktionsbüro erschienen, in dem er damals gearbeitet hatte, und hatte ihn nach einer längeren Unterredung an Pawel Sauljak vermittelt. Den KGB-Mann hatte er seitdem nie wieder gesehen, und seit er mit Pawel zusammenarbeitete, tröstete er sich mit dem Gedanken, dass außer dem KGB-Mann und Sauljak niemand die Wahrheit über ihn wusste. Doch nun stellte sich heraus, dass es noch einen Dritten gab. Das hatte Larkin sofort und nachhaltig aus dem inneren Gleichgewicht gebracht. Dieser Mann erwies sich als sehr gefährlich für ihn, denn er zeigte ihm ein ganzes Bündel kompromittierender Materialien, angefangen mit der Tonbandaufzeichnung seines Gesprächs mit dem KGB-Mann, in dem Michail sehr naiv und offenherzig davon erzählt hatte, wie er zu seinem Universitätsdiplom gekommen war, bis hin zu Videoaufnahmen, die ihn in verschiedenen Situationen bei seiner späteren Arbeit für Pawel zeigten, einschließlich der Ergebnisse, die diese Arbeit erbracht hatte. Es waren sehr eindrucksvolle Bilder. Michail hatte sie nie vorher gesehen, man hatte ihm nur gesagt, dass dieses Material existierte. Aber jetzt, nachdem er es zum ersten Mal mit eigenen Augen gesehen hatte, war ihm elend geworden. Sehr elend sogar.
»Ich werde diese Materialien natürlich nicht weitergeben, wenn Sie Verständnis für die neue Situation aufbringen«, sagte jener dritte Mann.
»Was verlangen Sie von mir?«, fragte Michail.
»Dass Sie meine Aufträge erfüllen, sonst nichts. Dass Sie dasselbe für mich tun, was Sie bisher im Auftrag von Pawel getan haben.«
»Und wenn Pawel zurückkommt?«
»Was heißt ›wenn‹?«, sagte der Mann freundlich lächelnd. »Natürlich wird Pawel zurückkommen, daran besteht kein Zweifel. Sie werden auch weiterhin mit ihm Zusammenarbeiten und gleichzeitig meine Aufträge erfüllen. Und Sie werden Pawel nichts davon sagen. Das ist im Grunde alles. Sie haben die Wahl, Michail Dawydowitsch. Ja, und noch eins. Wenn Pawel Dmitrijewitsch zurückkommt, lassen Sie es mich umgehend wissen. Ich bin besorgt um Ihre Sicherheit, und sobald Sauljak auftaucht, werde ich alles dafür tun, damit wir uns nicht zufällig auf der Schwelle Ihres gastfreundlichen Hauses begegnen. Wie ist Ihre Antwort?«
»Ich bin einverstanden«, sagte Larkin mit einem tiefen Seufzer. »Sie lassen mir keine andere Wahl.«
»Nicht doch, Michail Dawydowitsch«, erwiderte sein Gesprächspartner vorwurfsvoll. »Man hat immer eine Wahl. Sie können ablehnen und sich der Justiz stellen.«
»Was muss ich tun?«
»Vorläufig nichts. Ruhen Sie sich aus, sammeln Sie Kräfte und bleiben Sie in Form. In allernächster Zeit werde ich mich mit Ihnen in Verbindung setzen und Ihnen einen Auftrag erteilen.«
»Sind Sie sicher, dass ich diesen Auftrag erfüllen kann?«
»Natürlich. Sie haben so etwas schon oft gemacht, und zwar sehr erfolgreich. Bereiten Sie sich also vor, und machen Sie sich keine überflüssigen Sorgen.«
Dieses Gespräch hatte vor vier Tagen stattgefunden. Und nun lag Michail Larkin bereits seit vier Tagen zu Hause auf seinem bequemen, weichen Sofa, die Hände unter dem Kopf verschränkt, den Blick an die Decke geheftet. Alles das gefiel ihm nicht, es gefiel ihm ganz und gar nicht. Und es gab niemanden, mit dem er sich beraten konnte. Pawel meldete sich nicht, Michail wusste nicht, wo er ihn suchen sollte. Er hatte keine Adresse, keine Telefonnummer. So war es immer gewesen. Immer, wenn er Pawel brauchte, war er nicht da.
Aber war es überhaupt nötig, Pawel jetzt zu suchen? Wäre es richtig gewesen, ihn um Rat zu fragen? Was würde geschehen, wenn sein neuer Bekannter das erfahren würde? Michail versuchte, vernünftig zu denken und zu begreifen, wer von beiden für ihn gefährlicher war, Pawel oder sein neuer Bekannter. Und alles sprach dafür, dass es der neue Bekannte war. Obwohl es durchaus sein konnte, dass es Kopien von den Videoaufnahmen gab und dass auch Pawel sie besaß. Und wenn es so war, was dann? Verweigerte
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