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Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers

Titel: Anastasija 05 - Die Stunde des Henkers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Pfeil« unter das Gewölbe des Moskauer Bahnhofs in St. Petersburg.
    * * *
    Sergej Georgijewitsch Malkow war Gouverneur eines großen Gebietes. In dieser Region gab es natürlich keine illegalen Aktivitäten. Das eigene Nest musste man rein halten, das war eine eiserne Regel. Malkow hielt sich oft in Moskau auf, ob in dienstlichen oder privaten Angelegenheiten, aber Michail Larkin hielt es für besser, ihn in seinen häuslichen Verhältnissen aufzusuchen. Pawel war damit einverstanden.
    Malkow war ein dicker, kahlköpfiger, immer schwitzender Mann. Er hatte ein rundes, mondförmiges Gesicht mit kleinen blauen Augen, die durchaus warm und freundlich dreinblicken, aber auch gefährlich blitzen und Funken sprühen konnten. Seine Kinder waren ihm frappierend ähnlich. Auch sie waren stark überernährt, verweichlicht und unbeweglich. In ihrem Wesen waren die beiden Geschwister allerdings sehr unterschiedlich. Der Sohn stand kurz vor dem Schulabschluss, er hatte verschiedene Wettbewerbe in Literatur, Fremdsprachen und Geschichte gewonnen und wollte im Sommer mit dem Studium beginnen. Mit ihm hatten die Eltern keine Probleme. Die Tochter des Gouverneurs hingegen war ganz anders, sie bereitete ihren Eltern von jeher nur Kopfschmerzen.
    Mit zwanzig Jahren hatte Angelique bereits die zweite Ehescheidung hinter sich und wurde drogensüchtig. Mit fünfundzwanzig durfte man sie kaum noch aus dem Haus gehen lassen. Sie hatte sich in eine Irre verwandelt, die sich nur noch für drei Dinge interessierte: für gutes, reichliches Essen, für Sex in jeder nur erdenklichen Form und für Heroin. Das Heroin war sicherlich ihre gefährlichste Leidenschaft, außerdem kostete es eine Menge Geld. Aber Angelique ließ sich nicht aufhalten, wenn es um die Befriedigung ihrer Wünsche ging. Sie war rücksichtslos, absolut zynisch und setzte sich mit der Gewalt einer Panzerdivision über alles hinweg, was sich ihr in den Weg stellte.
    Michail Larkin betrat die Villa des Gouverneurs mit einem großen Rosenstrauß in der Hand. Er wurde erwartet, denn er hatte vorher angerufen und sich lange mit Angeliques Mutter unterhalten.
    »Ich heiße Arkadij Grinberg«, hatte Larkin sich mit angenehmer Stimme vorgestellt. »Wissen Sie, ich habe Ihre Tochter vor einigen Jahren kennen gelernt, als ich ein Gastspiel in Ihrer Stadt hatte.«
    »Sind Sie Künstler?«
    »Ich bin Musiker und spiele in einem Symphonieorchester. Bekannte haben mir gesagt, dass Angelique sich stark verändert hat. Ich weiß nicht, ob Sie mich verstehen . . .«
    »Ich verstehe Sie sehr gut«, sagte die Ehefrau des Gouverneurs sarkastisch. »Ich sitze tagaus, tagein zu Hause und passe auf sie auf. Kaum lasse ich sie aus den Augen, geht sie auf und davon, und nie weiß man, womit ihre Ausflüge enden. Ich möchte nichts vor Ihnen verheimlichen, Arkadij, denn über unser Unglück weiß sowieso die ganze Stadt Bescheid. Wir sind machtlos dagegen.«
    »Ich kann das nicht glauben«, sagte Larkin, bemüht, möglichst viel Entsetzen und Erschütterung in seine Stimme zu legen. »Wissen Sie, ich hatte damals eine Beziehung zu Ihrer Tochter, und ich glaube, sie hat mich wirklich geliebt. Ich bin fast sicher, dass ich das Gute wieder erwecken könnte, das sie in sich hat. Es kann doch nicht einfach verschwunden sein. Nur ist es wahrscheinlich nicht jedem gegeben, es in ihr zu erkennen.«
    »Ich fürchte, Sie erliegen einem Irrtum«, sagte Malkows Frau mit einem traurigen Seufzer. »In meiner Tochter ist nichts Gutes mehr. Manchmal bitte ich Gott darum, dass sie stirbt, so schrecklich das klingen mag.«
    »So dürfen Sie nicht denken!«, widersprach Larkin. Jeder Mensch hat etwas Gutes in sich. Ich bin davon überzeugt, dass Angelique sich verändern wird, wenn ich mit ihr spreche und sie an unsere Liebe erinnere. So starke Gefühle hinterlassen immer Spuren in einem Menschen.«
    »Sie können es ja versuchen«, sagte Malkows Frau, nicht im Geringsten bemüht, ihren Unglauben zu verbergen.
    Und so war Michail gekommen, um es zu »versuchen«. Er hatte sich absichtlich Arkadij Grinberg genannt, denn er wusste, wie viel Wert man in seinem Land auf Namen und Nationalitäten legte, wie magisch der Name Arkadij Grinberg klang. Ein junger Mann, der so hieß, konnte nur ein ehrenhafter, anständiger Jude sein. Er nahm auf keinen Fall Drogen, und er war natürlich Musiker.
    Malkows Frau war eine stattliche Dame mit angenehmen, verblühenden Gesichtszügen. Nachdem Michail ihr einen Rosenstrauß überreicht

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