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Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen

Titel: Anastasija 07 - Mit tödlichen Folgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Da drüben steht ein Reck, siehst du? Ab, fünfmal zwanzig Klimmzüge.«
    »Schrecklich!«, stöhnte Nastja. »Sie sind ja ein Sadist, Iwan Alexejewitsch! Warum quälen Sie das Kind so? Wozu so viele Klimmzüge?«
    »Für alle Fälle.« Der General lachte. »Das kann nicht schaden.«
    »Wie viel werden denn laut Norm verlangt?«
    »Zwölf.«
    »Wieso dann hundert? Übertreiben Sie es nicht?«
    »Kein bisschen. Wer weiß, wie es nächsten Sommer aussieht. Vielleicht wird er am Tag der Prüfung krank, fühlt sich nicht wohl, hat Angina oder eine Grippe, oder er fällt unglücklich und ist verletzt. Und erfüllt deshalb die Norm nicht und versäumt ein ganzes Jahr. Nein, nein, das Risiko ist zu groß. Wenn er jetzt auf zwölf Klimmzüge trainiert wird, dann reicht der kleinste Anlass, und er fällt durch. Aber wenn er regelmäßig fünfmal zwanzig trainiert, dann schafft er selbst bei schlechter körperlicher Verfassung am Prüfungstag auf jeden Fall seine zwölf Stück.«
    »Klingt vernünftig«, räumte Nastja ein. »Wenn auch hart.«
    Sie setzten sich in der Nähe des Recks auf eine Bank. Satotschny beobachtete seinen Sohn, und Nastja vertiefte sich erneut in ihre Gedanken über die ermordete Alina Wasnis. Also, sie war verschlossen, hatte keine Freundinnen. Oder vielleicht doch, aber nicht bei Sirius. Schlecht entwickelte mündliche Sprache, dafür eine sehr flotte Feder. Nachdenklich, nicht geneigt, Klischees und ausgetretenen Pfaden zu folgen, hatte ihren eigenen Standpunkt, ihren eigenen Blick. Gefühlskalt. Weitere Details würden sich sicher aus Korotkows Gespräch mit dem Regisseur Smulow ergeben, bislang beruhte Nastjas Entwurf auf den Informationen vom Samstag.
    Aus der Wohnung der Wasnis war Schmuck verschwunden. Das Geld, das Charitonow ihr bringen sollte, fehlte ebenfalls. Und was hatten sie? Spuren. Spuren von Alina, von Smulow, der seit vier Jahren wenigstens ein-, zweimal die Woche in der Wohnung gewesen war, der quasi mit ihr dort gelebt hatte. Und Oberflächen mit deutlichen Anzeichen dafür, dass dort Fingerabdrücke entfernt worden waren. Wischspuren. Zwei Tassen im Geschirrschrank in der Küche waren besonders gründlich gespült worden, mit Soda und Reinigungspaste, das behauptete jedenfalls der Kriminaltechniker Oleg Subow. Aus einer Tasse hatte offenbar der Mörder getrunken. Und aus der anderen? Die Hausherrin selbst? Warum war sie dann so sorgfältig gespült worden? Die Antwort lag auf der Hand: In der Tasse konnten Spuren einer fremden Substanz zurückgeblieben sein. Aber ob Alina Wasnis vergiftet worden war, würde erst am Montag feststehen, früher war mit dem Obduktionsbefund nicht zu rechnen. Abgewischt worden waren außerdem der Knauf der Wohnungstür, der Klingelknopf, Griffe und Türen des Kühlschranks und des Geschirrschranks in der Küche, die polierte Oberfläche eines kleinen Tisches im Zimmer sowie sämtliche Lichtschalter in der Wohnung. Der Mörder hatte offensichtlich keine Eile gehabt und sich erlaubt, akkurat und vorsichtig zu sein.
    Was noch? Die Aufzeichnungen, die Nastja von Leonid Degtjar bekommen hatte, belegten eindeutig, dass zwei Dinge Alina stark beschäftigt hatten: Schuld und Rache. Nicht Liebe, nicht Eifersucht, nicht Verrat. Nur Schuld und Rache. Vielleicht musste man da ansetzen?
    »Iwan Alexejewitsch, sind Sie nachtragend?«, fragte sie plötzlich den neben ihr sitzenden General.
    »Wieso fragen Sie?«, reagierte er erstaunt.
    »Bitte«, beharrte Nastja.
    »Nein, wohl nicht besonders. Das heißt, mein Gedächtnis ist natürlich intakt, ich vergesse Kränkungen nicht, aber der Impuls, mit dem Beleidiger abrechnen zu wollen, der vergeht schnell. Ich habe zu viele alltägliche Probleme und Sorgen, als dass ich mich von Emotionen ablenken lassen könnte, Nastja. Ich habe ständig den Kopf voll.«
    »Und wenn Sie sich schuldig fühlen, quält Sie das dann lange?«
    »Ich weiß nicht, das habe ich noch nie ausprobiert.« Satotschny lächelte. »Ich habe eine Regel: Wenn du etwas getan hast, bekenne deine Schuld sofort, entschuldige dich, bügle deinen Fehler wieder aus, wenn du kannst. Aber etwas Schlechtes tun und dann lange damit leben – nein, das ist mir noch nicht passiert. Wahrscheinlich ist Schuldgefühl für mich völlig unerträglich, darum unternehme ich sofort etwas dagegen. Sagen Sie, Nastja, interessieren Sie sich für meine Persönlichkeit? Oder hat das mit Ihrer Arbeit zu tun?«
    »Mit der Arbeit. Mein Opfer ist irgendwie verschlossen, niemand

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