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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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stieg, aber sie nahm sich zusammen. Sie und Stassow hatten sich nichts vorzuwerfen. In dem Jahr, seit sie verheiratet waren, hatten sie schon oft mit Lilja in einem Zimmer geschlafen, aber sie hatten sich in dieser Situation immer zurückgehalten und andere Möglichkeiten gefunden. Außerdem waren sie keine zwanzig mehr, Wladislaw war bereits neununddreißig und sie selbst fünfunddreißig, sie hatten es nicht mehr so nötig und konnten notfalls auf Sex verzichten. Wie kam das Kind auf solche Gedanken?
    »Was liest du zurzeit, Lilja?«, fragte sie streng. »Raus mit der Sprache.«
    »›Der Hutmacher und sein Schloss‹ von Cronin. Denken Sie nicht, dass das zu schwer für mich ist, Tante Tanja, ich verstehe alles. Papa hat mir erlaubt, das Buch zu lesen.«
    »Wenn Papa es dir erlaubt hat, dann ist es natürlich in Ordnung. Aber du darfst die Literatur nicht mit dem wirklichen Leben verwechseln. Dein Papa und ich lieben dich sehr und freuen uns immer, wenn du bei uns bist. Alles andere darfst du nicht ernst nehmen. Und vor allem darfst du niemals denken, dass du uns stören könntest. Wenn Menschen sich lieben, dann stören sie einander nie. Hast du verstanden? Und wenn du Sehnsucht nach Tante Irotschka hast und gern zu ihr nach Petersburg fahren möchtest, dann können wir das einrichten. Zu uns kannst du dann während der Ferien kommen, zum Beispiel im November. Übrigens, wie gefällt dir Cronin?«
    »Gut«, sagte Lilja ausweichend. »Aber Sie schreiben besser. Sie gefallen mir am besten von allen Schriftstellern.«
    Tatjana begann zu lachen.
    »Lilja, du wirst mich eines Tages noch umbringen mit deinen Meinungen! Wer ist Cronin, und wer bin ich?«
    Während Tatjana sich weiter mit Lilja unterhielt, fuhr sie fort, die Kartoffeln durch den Fleischwolf zu drehen, und rührte ab und zu das Hackfleisch in der Pfanne um. Fast alles war fertig. Wenn Stassow nach Hause kam, musste sie nur noch schnell die Taschen füllen und ins kochende Wasser werfen. Bis er die Hände gewaschen und die Pilzsuppe gegessen hatte, würde auch der Rest fertig sein.
    Stassow erschien erst kurz vor neun, riesig, grünäugig und fröhlich. Er wusste bereits, dass seine Tochter zu Hause auf ihn wartete, deshalb hatte er auf dem Heimweg von der Arbeit Räucherwurst für sie gekauft, die sie mehr liebte als jede Delikatesse. Er lobte die Pilzsuppe, freute sich lautstark an den Kartoffeltaschen und erzählte lachend von seiner Unterhaltung mit einer Verkäuferin am Bücherstand des Kaufhauses, in dem er die Räucherwurst für seine Tochter erstanden hatte.
    »Sie haben vier deiner Bücher im Angebot«, sagte er. »Ich mache ein schlaues Gesicht und frage, wie die Tomilina sich so verkauft. Sehr gut, sagt mir die Verkäuferin, sie gehört selbst zu deinen Verehrern, ebenso alle ihre Bekannten, aber man hat auch Kritik an dir. Ich will natürlich wissen, was sie meint, und sie fragt mich, warum mich das so brennend interessiert. Ich musste ihr sagen, dass ich dein Literaturagent bin.«
    »Und warum hast du nicht gesagt, dass du mein Mann bist?«, fragte Tatjana erstaunt. »Wahrscheinlich war die Verkäuferin jung und schön, du wolltest ihr schöne Augen machen und deshalb nicht zugeben, dass du verheiratet bist.«
    »Du bist ein Dummerchen. Ein gut erzogener Mensch wird einem Mann niemals etwas Schlechtes über seine Frau sagen. Aber ein Literaturagent ist genau derjenige, dem man seine Kritik vortragen kann. Die Verkäuferin war übrigens im mittleren Alter, gut über fünfzig. Eine sehr gebildete Frau, Kandidatin der philologischen Wissenschaften. Aber anstatt Russisch und Literatur zu unterrichten, muss sie den ganzen Tag im Kaufhaus stehen und Bücher verkaufen.«
    »Lenk nicht ab, Stassow. Was passt ihr nicht an meinen Büchern? Zu wenig Sex und Gewalt?«
    »Du darfst dreimal raten. Für jede falsche Antwort legst du mir eine neue Kartoffeltasche auf den Teller. Abgemacht?«
    »Abgemacht. Zu wenig Action und zu viele Reflexionen.«
    »Her mit der Kartoffeltasche. Bis du dir die nächste Antwort überlegt hast, habe ich sie aufgegessen.«
    Tatjana begann zu überlegen. »Das traurige Ende«, schlug sie wenig später unsicher vor.
    »Die nächste Kartoffeltasche. Du hast noch einen Versuch.«
    »Und wenn ich nicht darauf komme?«
    »Dann fährst du morgen mit mir in die Stadt, und wir kaufen Küchengeräte ein. Es gibt jetzt die verschiedensten Kaffeemühlen, Kaffeemaschinen, Fleischwölfe und andere Haushaltsgeräte. Ich weiß, dass du so

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