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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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sich ständig in das Privatleben ihres einstigen Ehemannes einmischte.
    Natürlich hasste Margarita die neue Frau ihres Mannes aus tiefstem Herzen, obwohl es dafür eigentlich keine Gründe gab. Margarita hatte einen Liebhaber, mit dem sie ständig internationale Filmfestivals besuchte, sie hegte keinerlei Absichten, wieder mit Stassow zusammenzukommen, sodass Tatjana ihr eigentlich nichts wegnahm. Aber allein die Tatsache, dass Stassow es gewagt hatte, sich nach ihr, der berühmten Schönheit, »so etwas« auszusuchen, empörte Margarita über alle Maßen.
    Wenn die Damen in die Verlegenheit kamen, miteinander kommunizieren zu müssen, so taten sie dies mit ausgesuchter Höflichkeit und sprachen einander nur mit Namen und Vatersnamen an, wobei die eine nicht mit Gift und Verachtung sparte, während die andere sich aufrichtig amüsierte. Tatjana Obraszowa war fünfunddreißig Jahre alt, und in den dreizehn Jahren als Untersuchungsführerin hatte sie es längst gelernt, nicht auf die Emotionen ihrer Gesprächspartner zu reagieren. Diese bedachten sie oft mit so viel Bosheit und Verachtung, dass Margaritas Verhalten sich dagegen ausnahm wie der Auftritt eines fünfjährigen Kindes in einem Theaterstück, das im Kindergarten aufgeführt wurde.
    Nach etwa einer Dreiviertelstunde läutete es an der Tür. Margarita überschritt nicht die Schwelle der Wohnung, sondern schob nur Lilja in den Flur und schleuderte die Tasche mit ihren Sachen regelrecht hinterher. Sie küsste das Mädchen auf die Stirn, befahl ihm, dem Vater zu gehorchen, ging zurück zum Lift und verschwand grußlos.
    »Wie geht es in der Schule?«, fragte Tatjana und beobachtete mit einem Lächeln, wie das Mädchen sorgfältig seine Stiefel aufschnürte.
    »Wie immer. Ich habe zwei Einser bekommen, einen in Rechnen und einen in Russisch. Was gibt es heute zum Abendessen, Tante Tanja?«
    »Das weiß ich noch nicht. Ich habe viel eingekauft und muss erst entscheiden, was ich kochen soll. Hast du einen Vorschlag?«
    »Machen Sie doch bitte Kartoffeltaschen mit Fleisch«, bat Lilja. »Ich esse sie schrecklich gern, und meine Mutter kann sie nicht kochen.«
    »Das wäre eine Möglichkeit«, sagte Tatjana. »Dein Papa isst sie auch sehr gern. Obwohl wir beide uns vorsehen sollten, Lila. Wir sind sowieso schon zu dick. Fleisch mit Kartoffeln ist nicht gerade gut für uns.«
    Lilja war ein kräftiges Mädchen, im Wachstum eiferte sie ihrem zwei Meter langen Vater nach, und das Übergewicht stammte bereits aus ihrer frühen Kindheit. Es war die Folge ihrer unmäßigen Vorliebe für Weißbrot, Räucherwurst, Pralinen und Torten. So seltsam es auch war, aber äußerlich glich Lilja sehr viel mehr Tatjana als ihren leiblichen Eltern.
    »Ein einziges kleines Mal darf man schon, Tante Tanja.«
    »Nun gut, ein einziges kleines Mal«, stimmte Tatjana zu.
    Sie ging in die Küche und ließ Lilja mit einem Buch in der Hand zurück. Solange sie mit Lesestoff versorgt war, konnte man das Mädchen beliebig lang allein lassen, sie verlangte keine Aufmerksamkeit. Wenn sie etwas zu lesen hatte, wurde ihr nie langweilig. In Stassows Einzimmerwohnung war nicht viel Platz, aber dafür war eine riesige Bibliothek vorhanden.
    Als das Fleisch bereits fertig war und Tatjana die rohen Kartoffeln durch den Fleischwolf drehte, erschien Lilja in der Küche.
    »Tante Tanja, wäre es nicht besser, wenn Sie mich zu Tante Irotschka nach Petersburg schicken würden?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich will euch nicht stören.«
    »Du störst uns nicht«, lächelte Tatjana. »Wie kommst du auf so seltsame Gedanken? Wir haben es doch immer gut gehabt zu dritt, nicht wahr? Oder gefällt dir hier etwas nicht? Wahrscheinlich schmeckt es dir bei Tante Irotschka besser, gib es zu. Du hoffst, dass sie dir jeden Tag Kartoffeltaschen mit Kraut macht, stimmt’s?«
    »Kinder dürfen nicht mit Erwachsenen in einem Zimmer schlafen«, sagte Lilja sehr ernst.
    »Ein interessanter Gedanke«, erwiderte Tatjana ebenso ernst. Sie war längst an die überraschenden Äußerungen ihrer Stieftochter gewöhnt. »Wo hast du das denn gelesen?«
    »Lachen Sie mich nicht aus, Tante Tanja, Sie wissen selbst, dass das stimmt. Ihr seid Mann und Frau, mein Papa und Sie, und ihr müsst allein im Zimmer schlafen und nicht zusammen mit mir.«
    »Aber im Süden haben wir doch bestens zusammen in einem Zimmer geschlafen.«
    »Das war nicht richtig«, widersprach das Mädchen trotzig.
    Tatjana spürte, wie ihr die Röte in die Wangen

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