Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
Vom Netzwerk:
gar nicht bedarf, weil sie ohnehin im Elend lebt, aber meine Klientin ist überzeugt davon, dass diese Person ihr das Glück gestohlen hat. Es hat gar keinen Sinn, diese Klientin belehren oder vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Ich nehme eine Reihe von Handlungen vor, die von meinen Klientinnen als magisch empfunden werden, und dabei spreche ich Verwünschungsformeln. Von nun an wird deine Nachbarin von Krankheit heimgesucht werden, du wirst sie oft blass und mit Augenrändern sehen, besonders abends. Das Glück wird sie verlassen, sie wird viele Tränen weinen, ihre Augen werden stets gerötet sein. Sie wird ihre Liebe verlieren, und obwohl sie so tun wird, als sei alles in Ordnung, wirst du wissen, dass das Schein ist. Selbst dann, wenn sie nicht verlassen wurde, lebt sie an der Seite eines Mannes, der sie nicht mehr liebt. Solche und ähnliche Dinge suggeriere ich meiner Klientin, je nach Grund ihres Hasses. Das ist alles.«
    »Und es hilft wirklich?«, fragte Korotkow erstaunt.
    »Und wie es hilft. Der Hass ist ebenso blind wie die Liebe. Alles hängt nur von der Person ab. Es gibt Menschen, die dazu neigen, für alles den Grund in sich selbst zu suchen. Solchen kann ich nicht helfen, die brauchen einen guten, qualifizierten Psychoanalytiker. Aber die meisten, besonders die Frauen, suchen die Ursachen für ihr Unglück nicht in sich selbst, sondern in ihrer Umgebung. Sie bilden sich ein, dass sie Feinde haben, die sie mit böser Absicht verfolgen. Es hat keinen Sinn, ihnen zu sagen, dass sie vor allem einen Blick in ihr eigenes Inneres werfen müssen. Sie brauchen Hilfe, und ich helfe ihnen. Sie wollen glauben, dass das Unglück von außen kommt, und brauchen einen Schuldigen. Was immer ich ihnen Vorhalten würde, sie würden sich niemals ihre eigene Schuld eingestehen. Deshalb versetze ich sie in den Glauben, dass der vermeintliche Schuldige bestraft wird, dass er von nun an vom Unglück verfolgt sein wird. Und meine Klientinnen beruhigen sich. Sie brauchen den Hass nicht mehr, manchmal verwandelt er sich in Mitgefühl für die einst verhasste Person. Es kommt sogar vor, dass aus der einstigen Feindschaft Freundschaft wird.«
    Ja, dieser dreißigjährige Koloss brauchte die Miliz wirk-lich nicht zu fürchten. Er tat absolut nichts Ungesetzliches. Und für die Tatsache, dass er an seinen Klienten verdiente, war die Steuerfahndung zuständig. Aber vielleicht hatte er sich auch in dieser Hinsicht gut abgesichert.
    »Pawel Wassiljewitsch, war unter Ihren Klientinnen jemals eine Ljuba Sergijenko?«
    »Sie brauchen mir keine Namen zu nennen, denn nach Namen frage ich meine Klientinnen nicht. Was hatte sie denn für Sorgen?«
    »Die Freundin hat ihr den Geliebten weggenommen, während sie selbst im Ausland war und Geld verdiente.«
    »Ach ja, ich erinnere mich. So ein hübsches hellhaariges Mädchen mit einem Muttermal neben der Oberlippe. Meinen Sie die?«
    »Ja, die meinen wir. Haben Sie versucht, ihr zu helfen?«
    »Selbstverständlich, sie ist ja gekommen, weil sie Hilfe brauchte.«
    »Erzählen Sie uns doch bitte, wie das gewesen ist . . .«
    * * *
    Die Augen des hübschen hellhaarigen Mädchens waren geschwollen und gerötet. Pawel sah sofort, dass sie in der letzten Zeit viel und oft geweint hatte.
    »Tritt ein, meine Liebe«, sagte er und begann schon an der Tür mit dem üblichen Spektakel. »Komm zu mir mit deinem Unglück, komm nur, fürchte dich nicht.«
    Das Unglück, mit dem das Mädchen namens Ljuba zu ihm gekommen war, war das am weitesten verbreitete: Der Geliebte hatte sie verlassen. An zweiter Stelle standen trunksüchtige Ehemänner, an dritter Probleme mit Kindern. Ljubas einziger Unterschied zu den anderen Klientinnen bestand darin, dass sie den untreuen Geliebten nicht wiederhaben wollte.
    »Ich kann dir sagen, was du tun musst, damit er sich dir wieder zuwendet«, begann Pawel.
    Doch Ljuba unterbrach ihn.
    »Ich will nicht, dass er zu mir zurückkehrt. Ich will ihn nicht mehr.«
    »Warum bist du dann zu mir gekommen? Was möchtest du, meine Liebe?«
    »Ich will, dass sie stirbt.«
    Ljuba presste diese Worte leise zwischen den Zähnen hervor, den Blick auf den Boden geheftet. Pawel begann herumzudrucksen. Natürlich hörte er so etwas nicht zum ersten Mal, aber gewöhnlich gelang es ihm, derartige Wünsche in ein etwas anderes Fahrwasser zu lenken. Er brachte die Klientin dazu, auf ihren ursprünglichen Wunsch zu verzichten und sich mit Verwünschungen zu begnügen, die Unglück in der Familie

Weitere Kostenlose Bücher