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Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes

Titel: Anastasija 08 - Im Antlitz des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Marinina
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Natascha sagen? Ich möchte diesen Mann finden, weil ich wissen will, wer dein Vater ist? Natascha würde zu Recht sehr erstaunt sein und sie zum Teufel schicken. Aus welchem Grund interessierte sich eine völlig fremde Frau, die Natascha zum ersten Mal im Leben sah, so brennend für etwas, das nur sie allein etwas anging?
    Nein, es hatte keinen Sinn, Natascha Zukanowa aufzusuchen. Larissa musste sich an eine Nachbarin wenden, an eines der Klatschweiber, die in jedem Haus wohnten. Solche Personen wussten alles, mehr als jeder andere.
    * * *
    Dem Rat des gesprächigen Gerichtsmediziners Ajrumjan folgend, nahmen Jura Korotkow und Igor Lesnikow sich die Rentnerinnen des Hauses vor, in dem Ljuba Sergijenko gewohnt hatte. Das, was sie in Erfahrung brachten, verblüffte sie sehr und stellte alles auf den Kopf, was bisher als erwiesen gegolten hatte.
    Zuerst stellte sich heraus, dass Ljuba nach ihrer Rückkehr aus der Türkei jeden Tag die Kirche aufgesucht und sich in diesem Zusammenhang mit einer höchst unangenehmen Person namens Alewtina eingelassen hatte, die diese Kirche ebenfalls frequentierte. Die zwei Nachbarinnen, alte Mütterchen, die jeden Tag dasselbe Gotteshaus besuchten, waren überzeugt davon, dass Alewtina von einem bösen Geist besessen war und den Menschen Unglück brachte. Mehr wollten sie allerdings nicht erzählen, sie bekreuzigten sich und sahen sich ängstlich nach allen Seiten um.
    Es war nicht schwer, die besagte Alewtina zu finden. Sie hielt sich tatsächlich oft in der genannten Kirche auf und verbrachte viel Zeit auf dem umliegenden Friedhof. Sie war eine düstere, magere Frau mit glühenden Augen und bösen schmalen Lippen. Auf die Kripobeamten reagierte sie höchst aggressiv und ließ sie in provokativem Tonfall wissen, dass sie mit den Vertretern des Staates nichts zu reden hätte, da Kirche und Staat in diesem Land streng voneinander getrennt seien und sie, Alewtina, keinerlei gemeinsame Interessen mit den Beamten hätte. Als sie von Ljubas Tod erfuhr, wurde sie allerdings kleinlaut und verstummte. Es schien, als würde sie angestrengt über etwas nachdenken. Jura und Igor bearbeiteten die Alte zwei Stunden lang, bis sie sich endlich dazu herabließ, den Mund wieder aufzumachen.
    »Gut, ich sage es euch . . . Sie hat sich für schwarze Magie interessiert. Sie wollte jemanden verwünschen.«
    »Wen?«
    »Irgendeine Frau, eine Freundin oder eine Verwandte.«
    »Und wie ist die Sache ausgegangen? Hat es geklappt mit der Verwünschung?«, erkundigte sich Lesnikow.
    »Es scheint so . . .«, gab Alewtina unwillig zu. »Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber plötzlich war sie sehr verändert. Am Anfang ging es noch, sie hat zwar ständig geweint und hat den Hass in sich gehabt, aber wenn der Mensch hasst, dann heißt das, dass er lebt. Seine Seele lebt, sie ist in Bewegung und schmerzt.«
    »Am Anfang hat Ljuba also viel geweint und hat den Hass in sich gehabt«, hakte Korotkow schnell ein, um das Gespräch in die richtige Richtung zu lenken, bevor es im Allgemeinen versandete. »Und was passierte danach?«
    »Danach ist ihre Seele gestorben«, konstatierte Alewtina und verstummte erneut.
    »Woraus haben Sie das geschlossen?«
    »Sie hat aufgehört zu weinen. Und da war auch kein Hass mehr. Sie kam zwar nach wie vor jeden Tag, den Gott schuf, in die Kirche, aber man sah, dass sie innerlich leer war.«
    »Innerlich leer? Könnten Sie uns das bitte etwas näher erklären, wir verstehen nicht ganz«, bat Korotkow.
    Alewtina seufzte und rutschte auf der harten Bank hin und her, um sich bequemer zurechtzusetzen. Die Bank zwischen den Gräbern unweit der Kirche war ihr Stammplatz, hier saß sie immer, schon seit langer Zeit, und jeder, der es wollte, konnte sie hier finden. Das war so sicher wie das Amen in der Kirche.
    »Was gibt es da zu erklären . . . Wenn die Seele stirbt, ist alles klar. Es brennt, es nagt, es schmerzt nichts mehr von innen her. Aber die Seele ist so eingerichtet, dass sie unbedingt schmerzen muss. Aus diesem oder jenem oder einem anderen Grund. Wenn die Seele schmerzt, dann spürt es der Mensch, und der Schmerz zwingt ihn zu handeln. Wenn die Seele zum Beispiel wegen Geld schmerzt, dann versucht der Mensch, entweder etwas zu verdienen oder zu stehlen. Wenn die Eifersucht an einer Frau nagt, dann versucht sie, entweder die Rivalin aus dem Feld zu schlagen, oder sie denkt sich etwas anderes aus. Vielleicht nimmt sie sich einen Liebhaber, um sich abzulenken, um den Schmerz in

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