Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
Vom Netzwerk:
vorbereitete Rede.
    Als Orolo antwortete – was er erst nach einer langen Pause tat -, klang seine Stimme sehr angespannt. Er brachte irgendein Argument vor. Und das nicht mit der ruhigen Stimme, die er im Dialog benutzte. Irgendetwas hatte ihn aus der Fassung gebracht. Daraus schloss ich, dass Suur Trestanas ihm keine Buße auferlegt hatte, denn das war etwas, was man widerstandslos zu akzeptieren hatte, außer, es passierte immer und immer wieder. Sie sprachen über etwas Wichtigeres als das. Und Suur Trestanas hatte Gredick offensichtlich angewiesen, mich von dort wegzubringen, damit sie und Orolo ungestört waren.
    Das war kein besonders befriedigendes Ende für das Gespräch, das ich auf dem Sternrund mit Orolo gehabt hatte! Es war jedoch ein weiterer Beweis dafür, dass er recht gehabt hatte, und für mich eine Herausforderung, den Gedanken in die Tat umzusetzen.
     
    Du musst das haben und es festhalten, oder du wirst sterben . Als ich am nächsten Morgen wach wurde, konnte ich mich nicht erinnern, ob das etwas war, was Orolo wörtlich gesagt hatte, oder ein Vorsatz, der in meinem Kopf gereift war. Jedenfalls erwachte ich beschwingt und entschlossen.
    Im Refektorium sah ich Fraa Orolo allein mehrere Tische weiter weg sitzen. Verkrampft lächelte er mich an, wandte aber im nächsten Moment den Blick ab. Er wollte mich nicht über seine Diskussion mit Suur Trestanas aufklären. Er aß schnell, stand dann auf und steuerte auf das Jahrzehnttor zu, um einen weiteren Tag in der Stadt zu verbringen.
    Wichtiger als die Auseinandersetzung mit Trestanas war meine Unterhaltung mit Orolo unmittelbar davor. Ich wusste, dass ich im Refektorium nicht darüber reden konnte. Es würde Diax’ Rechen
nicht standhalten; es würde von den Avot nicht als vernünftig betrachtet werden. Die eher zum Prokismus Neigenden würden sagen, ich wäre eine Art Deolatist geworden. Ich könnte mich nicht verteidigen, ohne alle möglichen Gedanken anzuführen, die in ihren Ohren lächerlich benebelt klingen würden. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass die Saunts es genauso gemacht hatten. Sie beurteilten theorische Beweise nicht logisch, sondern ästhetisch.
    Ich war nicht der Einzige, der den Kopf voll hatte. Arsibalt saß allein da, aß praktisch nichts und schlich dann hinaus. Später nahm Tulia ihre Schüssel, kam herüber und setzte sich zu mir, worüber ich mich freute, bis ich begriff, dass sie nur über ihn sprechen wollte. Arsibalt hatte viel gegrübelt, und zwar an Orten, wo er gesehen wurde, gleichsam als Aufforderung, ihn zu fragen, was mit ihm los sei. Ich hatte mich geweigert, das zu tun, weil ich es für eine ausgesprochen ärgerliche Taktik hielt. Suur Tulia dagegen hatte immer wieder mal nach ihm gesehen. Sie teilte mir mit, dass ich zu ihm gehen sollte. Das tat ich nur, weil die Bitte von ihr gekommen war.
    Nach der Rekonstitution waren die ersten Fraas und Suurs des Ordens von Saunt Edhar an diesen Ort gekommen, wo der Fluss um eine Art Rampe herumschoss, die sie mit Sprengstoff und Wasserstrahlschneidemaschinen attackierten – Geröll und unbrauchbares Gestein wurden am Rand zu den Mauern des Konzents aufgetürmt -, bis sie im Herzen des Berges auf soliden Fels stießen. Davon spalteten sie Platten und Prismen ab, die auf den Talgrund polterten und manchmal bis an die Mauern rollten, bevor sie zur Ruhe kamen. Die Rampe wurde zu einem Höcker, der Höcker zu einer Klippe. Die ersten Tausender meißelten in ihre Vorderseite eine schmale, mäandernde Treppe, die sie eines Tages hinaufstiegen, um nie mehr herunterzukommen; stattdessen errichteten sie obendrauf ihr Lager und machten sich an den Bau ihrer eigenen Mauern und Türme. Das Tal unterhalb davon blieb über Jahrhunderte ein Geröllfeld. Die Avot machten sich über die verstreuten Steine her, wo immer sie liegen geblieben waren, und meißelten daraus die Teile des Mynsters. Inzwischen waren sie fast alle verschwunden, und das Land war flach, fruchtbar und steinlos. Ein paar der großen Felsbrocken lagen aber nach wie vor auf der Wiese herum, teils zur Dekoration und teils als Rohmaterial für unsere Steinmetze, die sich immer noch mit den Wasserspeiern, Kreuzblumen und ähnlichen Elementen des Mynsters beschäftigten.

    Ich traf Arsibalt oben auf einem Felsblock sitzend an, umgeben von leeren Getränkedosen, die Dards einfach weggeworfen hatten. Überall um ihn herum schliefen Besucher im hohen Gras ihren Rausch aus. Auf der anderen Seite der Wiese hüpfte Lio um

Weitere Kostenlose Bücher