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Anathem: Roman

Anathem: Roman

Titel: Anathem: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Fluckisch des späten Praxischen Zeitalters und der frühen Rekonstitution ein abwertender Begriff für unaufrichtige Rede im Allgemeinen, vor allem wissentliche und vorsätzliche Falschheit oder Vernebelung. (2) In Orth ein eher technischer bzw. klinischer Begriff zur Bezeichnung von Sprache (typischerweise, aber nicht zwangsläufig in Wirtschaft oder Politik), die Euphemismen, bequeme Unbestimmtheit,
betäubende Wiederholung und andere derartige rhetorische Kniffe verwendet, um den Eindruck zu erwecken, etwas sei gesagt worden. (3) Laut den Rittern des Saunt Halikaarn, einem radikalen Orden des 2. Millenniums A. R., alles Gesprochene und Geschriebene von den alten Sphenikern, den Mystagogen des Alten Mathischen Zeitalters, kommerziellen und politischen Institutionen des Praxischen Zeitalters und, seit der Rekonstitution, jedem, den sie für von prokischem Denken infiziert hielten. Ihr häufiger und lautstarker Gebrauch dieses Wortes zur Unterbrechung von Vorträgen, Dialogen, Privatgesprächen etc. verschärfte die Kluft zwischen dem Orden der Prokier und dem der Halikaarnier, die die mathische Welt in den letzten Jahren vor der Dritten Verheerung kennzeichneten. Kurz vor der Dritten Verheerung wurden alle Ritter des Saunt Halikaarn verstoßen, weshalb man nicht viel mehr über sie weiß (ihr häufiges Auftauchen in säkularen Darbietungen folgt aus der Verwechslung zwischen ihnen und den Inkantoren).
    Anwendungshinweis: Wenn das Wort in der mathischen Welt plötzlich in einem Schreibsaal oder einem Refektorium gerufen wird, erinnert es an die mit Bedeutung (3) assoziierten Ereignisse und soll daher vermieden werden. In gemäßigtem Ton ausgesprochen, nimmt es Bedeutung (2) an, die längst jeden ordinären Beiklang verloren hat, den sie einmal gehabt haben mag. Im Säkulum wird sie leicht mit Bedeutung (1) verwechselt und als vulgärer oder gar obszöner Ausdruck erachtet. Es gehört zur Mentalität von extramurischen Scheißdrökhschwätzern, dass sie mehr als irgendjemand sonst dazu neigen, beleidigt zu sein (oder zumindest so zu tun), wenn ihr Scheißdrökh ihnen vorgehalten wird. Das versetzt den mathischen Beobachter in eine nahezu unmögliche Lage. Man ist gezwungen, entweder dieses »beleidigende« Wort zu benutzen, worauf man als unangenehme Person gilt und als solche von höflicher Unterhaltung ausgeschlossen wird, oder dasselbe auf andere Weise zu sagen, was einen selbst zum Verbreiter von Scheißdrökh macht und damit genau dem Vorschub leistet, was man zu bekämpfen versucht. Letzteres erklärt vermutlich die verblüffende Stabilität und Unverwüstlichkeit des Scheißdrökhs. Die Suche nach einem Ausweg aus diesem Dilemma würde den Rahmen dieses Wörterbuchs sprengen und sollte wohl am besten den Hierarchen
überlassen bleiben, die es sich zur Aufgabe machen, mit dem Säkulum zu interagieren.
    DAS WÖRTERBUCH, 4. Auflage, A. R. 3000
    Irgendwie wurde dieser Baldachin hochgezogen. Die Verstrebungen bestanden aus Neustoff, der aus der Zeit der Gründung des Konzents stammte, und begannen mit Einbruch der Dunkelheit aus allen Richtungen ein sanftes Licht auszustrahlen, das sogar Fraa Mentaxenes gesund aussehen ließ. Darunter feierten zwölfhundert Besucherinnen und Besucher, dreihundert Dezenarier und fünfhundert Unarier die Zehnte Nacht.
    Entstanden war sie aus einem Erntedankfest, das mit dem Ende des Kalenderjahres zusammenfiel. Dank einiger geschickter Sequenzaufzeichnungen, die vor der Zweiten Verheerung gemacht worden waren, hatten wir ein paar Nutzpflanzen, die fast das ganze Jahr hindurch gediehen. Weniger widerstandsfähige Pflanzen konnten wir mitten im Winter in unseren Gewächshäusern ziehen. Das Zeug war allerdings nicht so köstlich wie die saisonalen Nahrungsmittel aus dem Strüpp.
    Das Strüpp war lange vor Knous von Leuten erfunden worden, die von Ethras und Baz aus gesehen auf der anderen Seite der Welt lebten. Maiskolben wuchsen direkt aus dem Boden bis auf Kopfhöhe und trugen im Spätsommer üppige Ähren mit bunten Körnern. In der Zwischenzeit dienten sie als Spalier für die Kletterranken der Hülsenbohnen, die uns Protein verschafften und dabei den Stickstoff für den Mais im Boden banden. In dem Netz, das die Hülsenbohnenranken zwischen den Maisstängeln spannten, wuchsen drei andere Arten von Gemüse: am höchsten vom Boden aus, wo Käfer ihnen nichts anhaben konnten, rote, gelbe und orangefarbene Tommeten zur Versorgung mit Vitaminen und zum Würzen unserer Salate,

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