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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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der Tür und ein Filipino, der mit einer Flasche in jeder Hand die Runde machte, um nachzuschenken.
    Ich war ein wenig überrascht, Frank dort zu sehen – den geschwätzigen alten Frank. Quer durchs Zimmer sandte er mir einen schlüpfrigen Blick zu, als gäbe es etwas, wovon ich nichts wusste. Eine Sekunde lang dachte ich, es habe mit mir und Seán zu tun, aber Frank kümmert sich nicht um Sex, er kümmert sich um andere Arten verborgener Strömungen und Vereinbarungen; von der Art, die sich zwischen Männern abspielen und von Dingen handeln, die nur schwer auszumachen sind. Nicht Autos, nicht Fußball – es dreht sich darum, wer gewinnt (manchmal aber auch darum, was man gewinnt). Ich sage dies mit einiger Bitterkeit, denn Frank wurde drei Monate später über meinen Kopf hinweg befördert. Jetzt weiß ich es also. Ein Mann ohne erkennbare Fähigkeiten außer der, auf der richtigen Seite zu stehen.
    Zwischen den zahlreichen Körpern und gestikulierenden Händen hindurch nickte ich ihm zu, und er kam herüber, um mir einen unbeholfenen Kuss zu geben, ehe er nach Hause aufbrach.
    »Nächstes Jahr in Warschau«, sagte er.
    Armer alter Frank.
    Ich hörte, wie Seán ihn an der Haustür verabschiedete, und ging zum Getränketisch, wo er hereinschauen und mich entdecken konnte, ohne Hallo sagen zu müssen. Das Schweigen, als er mich bemerkte, war sehr kurz und sehr interessant. Ich sah nicht zu ihm hinüber. Ich lächelte in mich hinein und verdrückte mich.
    Ein paar von den Gesichtern erkannte ich von Fionas Geburtstagsfeiern wieder, nur dass es hier keine Kinder gab und einige der Mütter mitten am Tag katastrophal aufgedonnert aussahen, während andere überraschend attraktiv und gut gekleidet waren.
    Fiachra war ebenfalls da, mit seiner schwangeren Frau namens – das muss ich falsch verstanden haben – »Dahlia«. Es war seltsam, ihr leibhaftig – genauer gesagt: beleibt – zu begegnen; sie war kolossal. Sie winkte mir mit einem großen Weinglas zu und sagte: »Glaubst du, das wird die Geburt einleiten?« Dann nippte sie daran und zuckte zusammen. Sie wisse von einer Frau, erzählte sie mir, die sich beim Filmfestival in Galway einmal so richtig die Kante gegeben habe und am folgenden Morgen im Krankenhaus aufgewacht sei – mit dem übelsten Kater aller Zeiten und einem Baby im Bettchen neben ihr.
    »Äh, was ist denn letzte Nacht passiert? Wo bin ich?«
    »Respekt«, sagte ich.
    »Betrunken. Kannst du dir das vorstellen? Die Hebammen müssen sie geliebt haben.«
    »Woran haben sie’s denn erkennen können?«, fragte Fiachra, knochentrocken wie immer, und wandte sich einer Frau zu, die sich mit einem Quieken auf ihn gestürzt hatte.
    Ich weiß nicht, wie sich Dahlia oder Delia oder Delilah normalerweise verhielt, aber in der achtunddreißigsten Schwangerschaftswoche war sie schwerfällig und hysterisch wie eine Steckrübe mit Nervenzusammenbruch. Sie zog mich – buchstäblich am Stoff meines Oberteils – über ihren Bauch und fragte leise:
    »Wieso redet mein Mann mit dem Mädchen da?«
    »Was?«, sagte ich. »Würdest du wohl aufhören?«
    »Nein, wirklich«, erwiderte sie. »Kennt er sie?«
    Sie weinte. Wann hatte das angefangen?
    Ich sagte: »Möchtest du vielleicht etwas essen?« Und sie sagte: »Oh. Essen.«
    Als wäre ihr das noch nie in den Sinn gekommen.
    Ich setzte sie auf ein Sofa und brachte ihr einen Teller mit etwas von allem: Quiche, pochierter Lachs, grüner Salat, Kartoffelsalat mit gerösteten Haselnüssen, etwas aus geraspeltem Sellerie; außerdem ein paar Scheiben von irgendeinem Vogel, mit Wurstfüllung und weihnachtlichem Rotkohl mit Gewürznelke. Mir fiel mir auf, dass die Sachen nicht vom Caterer waren. Sie hatten sie selbst zubereitet.
    »Alles ein bisschen durcheinander«, sagte ich.
    »Ach«, sagte sie. »Macht doch nichts, oder?«
    Ich wollte von ihr loskommen, aber das schien nicht möglich. Andererseits war es verlockend, neben ihr zu sitzen – schon allein der Wärme wegen –, also gab ich diesem Impuls nach und blickte gleichzeitig um mich, um zu sehen, ob Seán das Zimmer wieder verlassen hatte. Vielleicht war ich ja auch besorgt wegen Conor, obwohl ich wusste, dass er weit weg war.
    Sie trug ein rotes T-Shirt über Schwangerschaftsjeans und einen kleinen paillettenbesetzten Bolero, der im Verhältnis zu ihren Brüsten wirkte, als stamme er von einer Spielzeugfigur. Sie balancierte den gefüllten Teller auf ihrer Bauchwölbung, dann hievte sie sich in eine aufrechtere

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