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Anatomie einer Affäre: Roman

Anatomie einer Affäre: Roman

Titel: Anatomie einer Affäre: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Enright , Hans-Christian Oeser , Petra Kindler
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nicht immer so«, sagte er.
    »Wann war das überhaupt?«
    »Das war … vor langer Zeit.«
    Später, als wollte er mich daran erinnern, dass es uns alle trifft, sagte er: »Sie war in demselben Alter, in dem du jetzt bist.«
    Und er zupfte mit den Zähnen an meiner Lippe, als er mich küsste.
    Kein Wunder, dass sie sich kreischend zusammenkrümmte, die Zombie-Ehefrau. In meinem Kopf blitzte hin und wieder der Gedanke auf, dass ich mich in sie verwandelte.
    Ich müsse ihm vertrauen, sagte er. Es war unser zweiter Krach. Ich hatte zu Hause auf ihn gewartet, und er war sehr spät zurückgekommen. Ich müsse ihm vertrauen, denn er habe alles für mich aufgegeben. Aileen habe jedem Wort, das aus seinem Munde kam, misstraut. Damit könne er nicht noch einmal leben. Es gab Zeiten, da er glaubte, sie sei darauf angewiesen, eifersüchtig zu sein, Eifersucht sei Teil ihres Sexualhaushalts.
    Glauben Sie mir, darüber habe ich eine ganze Weile nachgedacht.
    Unterdessen hatten wir nie Tomatenchutney, und der Käse, den ich kaufte, war einfach nur bizarr.
    »Komm zu Bett.«
    »Gleich.«
    »Komm zu Bett.«
    »Ich hab gesagt: gleich.«
    »Das war eben.«
    Seán sagte mir, ich hätte ihm das Leben gerettet.
    »Du hast mir das Leben gerettet«, sagte er. Und jede Kleinigkeit an mir ist verkehrt. Ich esse zu viel, ich lache verkehrt. Im Restaurant darf ich keinen Hummer bestellen; mir dabei zuzusehen, wie ich das Fleisch heraussauge, würde ihm nachhaltig zu schaffen machen. Er hält mich an den Hüften und quetscht mich, um mich auf Speck zu untersuchen. Wenn es dich nicht gegeben hätte, sagt er, wenn es dich nicht gegeben hätte , und hebt mein Haar, um mich seitlich auf den Hals zu küssen.
    Ich habe ihm das Leben gerettet.
    Meine Mutter ist noch immer tot.
    Der Schnee klagt nicht an, jedenfalls nicht übermäßig. Aber ich bin allein, und ich weiß nicht, für wie lange. Im Internet gibt es nichts Neues. Der Fernseher dudelt weiter. Heute habe ich zwei Leute gefeuert, in Dundalk. Ich meine, ich musste sie entlassen. Ich sitze mit dem Telefon in der Hand vor meinem Laptop und frage mich, wie zum Teufel ich hierhergeraten bin. Und wo genau alles schiefgelaufen ist. Falls es schiefgelaufen ist. Was natürlich nicht stimmt. Nichts, und ich bin’s müde, es zu sagen, ist schiefgelaufen.
    Was war das Letzte, was er mir in Budapest gesagt hat?
    »Gute Nacht, Schönste.«
    »Gute Nacht.«
    »Gute Nacht, mein Schatz«, flüstern wir uns aus der Leitung.
    »Nachtnacht.«
    Unser Gespräch verliert sich in den Fingerspitzen.
    »Nacht.«
    Vorbei.

Save the Last Dance for Me
     
    Während jener ersten Monate in Terenure sprach Seán nicht über Evie oder erwähnte sie kaum, und ich war so dumm, nicht zu begreifen, dass er es nicht über sich brachte, ihren Namen auszusprechen.
    Niemand kam zu Besuch. Das war schon seltsam, denn es war doch immer ein offenes Haus gewesen – meine Mutter hatte sich oft darüber beschwert, dass so viele Leute ohne Vorankündigung vorbeikamen. Indes, niemand schaute bei den Wüstlingen, den Turteltauben und Familienzerstörern in Nummer 4 herein. Das Telefon blieb stumm: Wir hatten ja nicht einmal einen Festnetzanschluss.
    Ich sagte zu Fiachra: »Wir sind Ausgestoßene«, und wie um das Gegenteil zu beweisen, tauchte er eines Samstagmorgens mit einer Tüte Croissants und einem Buggy von der Größe eines kleinen Pkw auf.
    Es erforderte alle drei von uns, ihn durch den Eingang zu wuchten und in der Diele zu parken. Mitten während dieser Operation beugte sich Fiachra, dieses schlaksige Etwas, über seine Tochter und öffnete die Haltegurte. Er hob sie heraus und reichte sie Seán, der sie ohne das geringste Anzeichen von Überraschung auf seiner Hüfte absetzte und seine freie Hand dazu benutzte, um das Ding dichter an die Wand zu rücken. Als das Kind die Hände nach seinem Vater ausstreckte, war Seán eben im Begriff, es diesem zurückzugeben, und bewies ziemliches Geschick darin. Aber er folgte ihr mit seinem Gesicht und vergrub es im letzten Augenblick in ihrem feinen blonden Haar.
    Dann folgte er ihrem Kopf noch etwas weiter. Und inhalierte.
    Es war widernatürlich. Ebenso gut hätten sie sich küssen können, mein Liebhaber und mein Freund, die beide an diesem umfänglichen Konstrukt aus Gezappel, großen blauen Augen und Spucke hingen.
    Aber Seán sah ihr nicht etwa in die Augen. Er schnupperte an ihrem Kopf. Seine eigenen Augen hatte er geschlossen.
    Fiachra sagte: »Vorsicht, Seife ist ihr unbekannt«,

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