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Anatomie

Anatomie

Titel: Anatomie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bass jefferson
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auf einem der Schaukelstühle auf der Veranda sitzen. Es war O’Conner – ein in sich zusammengesunkener, um Jahre gealterter O’Conner. Ich nickte Art zu, und wir stiegen aus.
    Ich spürte die Mündung der Waffe hinter meinem Ohr, bevor ich etwas hörte oder sah. Für einen großen Mann bewegte Waylon sich bemerkenswert flink und leise. »Ist okay, Waylon. Aber danke dir«, murmelte O’Conner. »Dr. Brockton, welch unerwartetes Vergnügen. Was führt Sie hierher zurück?«
    Ich warnte Art mit einer Geste, denn ich vermutete, dass er irgendwo in einem Wadenholster eine Waffe hatte und nur darauf wartete, sie zum Einsatz zu bringen. »Mr. O’Conner, ich möchte um Verzeihung bitten, dass wir Sie belästigen. Ich weiß, dass die Menschen in den Bergen ihre Privatsphäre und ihren Besitz hoch halten, und ich trete beides gerade uneingeladen mit Füßen. Es ist nur so, dass dieser Mordfall einige Fragen aufgeworfen hat, die Sie mir vielleicht beantworten können. Die junge Frau, die getötet wurde, verdient es, dass jemand für sie spricht, und das kann ich nicht ohne ein bisschen Hilfe.«
    Er saß schweigend da. Ich machte unverdrossen weiter. »Ich habe einen Kollegen mitgebracht, Art Bohanan. Art ist Polizeibeamter in Knoxville, aber er ist nicht als Polizist hier, sondern als mein Freund. Er könnte auch Ihr Freund sein, wenn Sie ihn lassen.«
    O’Conner drehte sich leicht und inspizierte Art, der seinem Blick offen begegnete, weder mit Angst noch mit Herausforderung. Dann wandte O’Conner sich wieder mir zu. »Sinnlos. Sie ist tot. Für sie zu sprechen bringt sie auch nicht zurück.«
    »Nein, das nicht. Aber sie verdient Gerechtigkeit«, sagte ich. »Jemand sollte für ihren Tod verantwortlich gemacht werden, selbst wenn derjenige womöglich selbst längst tot ist.«
    Er schüttelte traurig den Kopf. »Ich glaube nicht, dass ich es über mich bringe, das alles wieder auszugraben. Vermisst oder ermordet, sie ist weg. Das war’s, und es geht Sie, bei allem gebührenden Respekt, nichts an.«
    Was ich jetzt gleich tun würde, war mir zutiefst zuwider. »Das war’s doch noch nicht ganz«, sagte ich, »und es geht mich, bei allem gebührenden Respekt, durchaus etwas an. Es gibt da nämlich noch ein zweites Opfer zu berücksichtigen.«
    Er wandte den Blick ab, um über das Tal zu schauen, dann sah er mich wieder an. »Was für ein zweites Opfer?«
    Ich wappnete mich. »Mr. O’Conner, sie trug ein Kind. Sie war im fünften Monat schwanger, als sie umgebracht wurde.«
    Ich hörte ihn scharf nach Luft schnappen; es klang, als zerreiße es jemandem das Herz. Ich konnte ihn nicht ansehen.
    Art ergriff das Wort. »Mr. O’Conner, ich habe Ihre Militärakte überprüft. Sie sind im Juni 1972 nach Vietnam verschifft worden. War sie schwanger, als Sie abreisten?«
    »Nein!« O’Conner schüttelte benommen den Kopf. »Wie sollte sie? Wir … Wir wollten warten. Also, sie wollte warten. Ich hab nicht mal … Oh, Himmel.«
    Art gewährte ihm einen Augenblick. »Was war, als Sie nach Hause kamen?«
    »Ich habe sie nicht wiedergesehen, als ich nach Hause kam. Da war sie schon verschwunden. Ich weiß nicht mal, wann sie weg ist – ich wusste nicht mal, dass sie die Erkennungsmarke hatte, die Dr. Brockton neulich erwähnt hat. Ich habe sie ihr geschickt, nachdem ich befördert worden war, aber sie hat nie zurückgeschrieben, um mir zu sagen, dass sie sie erhalten hat. Ihre Briefe haben einfach aufgehört. Es war, als hätte die Erde sich aufgetan und sie verschlungen.«
    Und genauso war es auch gewesen.
    »Wie alt war sie, als Sie nach Vietnam gingen?«
    »Zweiundzwanzig.«
    Das passte genau zu dem Skelett. Ich wollte sichergehen, dass ich das, was er vorher gesagt hatte, richtig verstanden hatte. »Mr. O’Conner, Sie sagten, Sie hätten keine sexuelle Beziehung zu ihr gehabt?«
    »Ja. Sie wollte Jungfrau sein, wenn wir heirateten. Heutzutage klingt das wunderlich, aber ihr war es wirklich wichtig.«
    »Wären Sie bereit, eine DNA-Probe zur Verfügung zu stellen, um zu beweisen, dass Sie nicht der Vater des Kindes waren?«
    Er starrte mich mit kalten Augen an. »Wie wär’s damit?« Er klappte ein Taschenmesser auf und fuhr sich mit der Klinge über den linken Handballen. Ich sah, wie sich ein Schnitt öffnete und mit Blut füllte. Aus der Gesäßtasche nahm er ein Taschentuch, saugte das Blut damit auf und hielt es mir hin. »Schon okay, Doc«, sagte er. »Kein Aids, keine Hepatitis, keine Syphilis. Rein wie frisch

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