Ancient BladesDie Metropole der Diebe
gar nicht gab.
Trotz allem Elend und Unglück, das ihm widerfahren war, seit er eingewilligt hatte, die Krone zu stehlen, war Malden dankbar für die Erfahrungen, die ihm diese Missgeschicke gebracht hatten. Die meisten Diebe mieden Magie und das Übernatürliche wie die Pocken, und das aus gutem Grund. Ganz egal, wie geschickt oder flink ein normaler Mann auch sein mochte, er hatte selbst gegen die einfachste Zauberei keine Chance. Aber Malden lernte schnell, und weil er keine andere Wahl gehabt hatte, hatte er in der vergangenen Woche etwas über Magie gelernt. Er hatte gelernt, dass sie nach bestimmten Regeln funktionierte. Nur nicht denselben Regeln, denen die normale Welt gehorchte. Magie war eine Perversion dieser fundamentalen Gesetze. Aber diese Perversion musste das Original widerspiegeln, wenn auch nur auf verzerrte Weise. Magie war nie willkürlich, auch wenn es den Anschein haben mochte. Es musste eine innewohnende Logik geben, eine Reihe von Einschränkungen, über die sie nie hinausging. Licht und Glas funktionierten hier ja möglicherweise wie eine Flüssigkeit, aber sie würden immer wie eine Flüssigkeit funktionieren. Feste Gegenstände schienen so stark wie Stahl zu sein. Zumindest für den Augenblick glaubte er, die Regeln des Korridors verstanden zu haben.
Er griff durch das feuchte Nichts hindurch und umfasste den Holzrahmen, der die Scheiben zusammenhielt. Ein weiteres Glasstück zerplatzte und tropfte herunter, und seine Hand schloss sich um das Holz, das glücklicherweise genauso fest war, wie es aussah. Tatsächlich fühlte es sich sogar so fest wie Eisen an. Möglicherweise hielt es sein Gewicht.
So verankert, brachte er die rechte Hand nach oben, um auch damit nach dem Rahmen zu greifen. Er zog sich daran hoch wie auf einer Leiter. Stück für Stück lösten sich seine Beine aus dem Boden. Das Mondlicht blieb nicht daran kleben, es haftete auch nicht als Tropfen an seiner Hose. Weder bewegte es sich, noch floss es, als er sich herauszog.
Schließlich war er das ganze Fenster hinaufgeklettert, hatte die Füße auf die Fensterbank gestemmt und konnte sein Gewicht darauf verlagern. Dann blickte er nach unten.
Der Boden wirkte so fest wie immer. Die Rachen in den Schatten hatten sich wieder geschlossen und zeigten nur Dunkelheit. Der Korridor sah genauso aus wie beim Betreten. Er war gerade sechs Fuß weit gekommen.
Nun. Immerhin etwas. Außerdem kannte er den Ort mitlerweile. Er kannte seine Regeln – zumindest einige davon.
Der nächste Lichtfleck befand sich zehn Fuß entfernt. Um dorhin zu gelangen, musste er einen Rachen aus Finsternis überqueren, und danach hatte er es mit einem Boden zu tun, der ihn zu verschlingen drohte. Er glaubte eine Möglichkeit gefunden zu haben, die Aufgabe zu bewältigen. Er wickelte das Seil von der Taille – das Seil mit dem Silberende, mit dem er und Kemper ins Haus gelangt waren. Am höchsten Rahmen knotete er es fest. Dann riss er ein paarmal ruckartig daran, bis er sicher war, dass es sein Gewicht aushielt. Er klammerte sich an das Silberende und sprang zurück zu der schlichten Wand, die nach seinem Eindringen die Tür ersetzt hatte. Dort war der Boden fest und wies keine Reißzähne auf. Möglicherweise war dies die einzige Stelle im ganzen Korridor, auf der er sicher stehen konnte.
Malden rieb sich die schweißnassen Hände an der Hose ab und band sich das silberne Seilende ums Handgelenk. Mit Anlauf stürmte er auf das flüssige Mondlicht zu und sprang. Das Seil trug ihn über den erhellten Boden hinweg und weiter über die Dunkelheit dahinter.
Unter ihm bissen die Reißzähne in die Luft, und eine lange rosarote Zunge schoss in die Höhe, um ihn zu packen wie ein Frosch die Fliege. Malden zog die Beine an den Körper und drückte sie gegen die Brust, und die Zunge berührte ihn kein einziges Mal.
Das Ende des Schwungs kam schnell, und er krachte gegen das zweite Fenster. Das Glas spritzte geräuschlos weg. Er konnte den Rahmen mit einer Hand packen, bevor mehr als seine Zehen im Mondlicht am Boden versunken waren. Er zog sich auf die Fensterbank, nun in der Mitte des Korridors.
Es war geglückt.
Malden holte eine Weile keuchend Luft. Das schwierigste Stück lag noch immer vor ihm. Er musste einen weiteren Lichtteich und noch einen Zauberrachen überqueren, bevor er das Ende des Korridors erreicht hatte. Das Seil war nach wie vor an das Fenster hinter ihm gebunden. Als er wieder zu Atem gekommen war, schob er ein Bein über den
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