Ancient BladesDie Metropole der Diebe
versprochen, nicht wahr? Der Diebesmeister hatte ihn als Gefangenen von Ness bezeichnet. Auf diese Weise hatte Malden das nie zuvor betrachtet – jetzt war es ihm unmöglich, es auf andere Weise zu sehen. Ein Gefangener. Und Cubill hatte die nötigen Mittel, ihn zu befreien.
Es konnte schon heute Abend geschehen, um den Preis eines kleinen Risikos.
Den Rest des Morgens verbrachte er damit, auf dem Fischmarkt am Osbecken Beutel aufzuschlitzen. Er musste seine Ausgaben wieder ausgleichen, denn sonst hätte er am Abend keinen Pfennig mehr sein Eigen genannt. An einer kleinen Bude am Flusstor aß er Herzmuscheln, dann mietete er in einer von Matrosen frequentierten Absteige eine Kammer. Er wäre gern nach Hause zurückgekehrt, aber er musste sichergehen, dass ihn keiner von Cubills Leuten sah, wenn er sich später mit Cyhera traf.
Die weite Strecke war er an diesem Tag allein aus diesem Grund gegangen. Cubill würde ihn beobachten lassen, vor allem, wenn es den Anschein hatte, dass er einen bestimmten Plan verfolgte. Dann waren da noch die nichtorganisierten Diebe, die Taschendiebe und Trickbetrüger, die zu wenig verdienten, um sich der Gilde anschließen zu können. Sie neigten dazu, Cubills Leuten zu folgen wie Möwen einem Schiff, in der Hoffnung, etwas von den Resten zu bekommen, die die besseren Diebe zurückließen. Malden wusste, dass er aufpassen musste, keiner der beiden Parteien aufzufallen, also verbrachte er den Tag damit, so zu tun, als hätte er nichts geplant. Es hatte keinen Grund gegeben, früh aufzustehen, und tatsächlich hatte er den Nachmittag auf seinem gemieteten Bett verschlafen. Mittsommer war gerade vorbei, bis zum Göttinnenfest dauerte es keine zwei Wochen mehr, und die Sonne würde erst spät am Abend untergehen.
Als er aufstand, strich er sich das Ungeziefer des Betts aus Haaren und Kleidern, kletterte aus dem Fenster und von dort auf das Dach der Absteige. Er war ziemlich überzeugt davon, dass ihm von dieser Stelle aus niemand mehr folgte, aber um ganz sicherzugehen, überquerte er über die Dächer hinweg drei Straßen und sprang laulos von einem Gebäude zum nächsten. Als er sich wieder hinuntergelassen hatte, befand er sich am Ufer des Flusses Skrait. Er ging weiter flussaufwärts nach Norden, bewegte sich von Pier zu Dock zu Kai – vom Ufer aus ragten Hunderte davon ins Wasser, denn jedes Haus am Skrait verfügte über einen eigenen Kai. Am Ende befand er sich tief im Qualmbezirk, dem Viertel aus Manufakturen und Werkstätten, wo Gerber, Papiermacher, Buchbinder, Hutmacher, Schmiede, Brauer und Bäcker ihrem Handwerk nachgingen. Die Werkstätten verpesteten die Luft mit ihrem Qualm und färbten den Fluss schwarz mit ihren Abfällen, und der Geruch war überwältigend – das vom Qualmbezirk windabwärts gelegene Viertel hieß aus guten Gründen Stinkviertel. Hier sollte Malden Cyhera treffen.
Ihm blieb genug Zeit, noch einmal genau darüber nachzudenken, was er da tat. Er hatte Zeit, sich zu fragen, ob er verrückt war oder ernshaft erwartete, die Sache zu überleben. Er hatte Zeit, an das grüne Gras jenseits des Tors zu denken, und wie gut es sich unter seinen Füßen anfühlen würde. Schließlich ging die Sonne unter, und die Zeit zum Nachdenken war vorbei.
Als sie ihn abholte, in einem kleinen Boot aus den Dunstschwaden hervorglitt, fragte sie ihn, ob er bereit sei. Worlos sprang er ins Boot und ergriff zwei Ruder.
Kapitel 14
Als sie aus dem Qualmbezirk den Fluss hinauf zum Goldenen Hügel und zum Turmviertel kamen, nahm die Zahl der im Wasser verankerten Anlegestellen ab. Der Fluss wurde schmaler und floss schneller dahin, darum mussten sie umso kräftiger rudern. Das Wasser wurde wieder sauber; nur gelegenlich trieb Jauche oder Unrat auf der wogenden Oberfläche. Der Skrait hatte sein Bett unmittelbar durch die nördliche Hälfte des Schlosshügels gegraben und eine gewundene Schlucht geschaffen, die sich durch die Hälfte der Freien Stadt zog. Um sich der Steigung des Hügels anzupassen, gewannen die Flussufer unablässig an Höhe, bis sie von abstützenden Mauern zurückgehalten werden mussten, sodass Malden und Cyhera schließlich zwischen zwei abgeschrägten hohen Wänden aus uralten Ziegelsteinen dahinglitten, deren Mörtel langsam vom Moos gefressen wurde. An einigen Stellen hatten Bäume ihre Wurzeln in die Steine gebohrt, und ihre Äste schimmerten über dem Boot. Durch die Blätter hindurch flackerte das Mondlicht im Nebel über dem Wasser.
Vor ihnen folgte
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