Andalusisches Feuer
besuchten. Ihr einziger Besitz war das Apartment, und auch das wurde allmählich zu klein.
Ein elegantes georgianisches Haus auf einem großzügigen, schön angelegten Grundstück kam nun in Sicht, der Familiensitz. Die Ordnungsliebe der Besitzer spiegelte sich in ihrer Umgebung wider. Jeder einzelne Grashalm schien exakt auf dieselbe Länge gestutzt.
Sarah fuhr in die Einfahrt und parkte vor dem Haus. Sie stieg aus und klingelte. Die Haushälterin ließ sie ein und führte sie in den Wintergarten, wo die Eltern gerade ihr Frühstück beendet hatten.
„Sarah … du kommst früh.“ Charles Southcott faltete seine Zeitung ordentlich und erhob sich, ein großer, distinguierter Mann in den späten Fünfzigern mit allmählich ergrauendem Haar und eisblauen fragenden Augen in dem schmalen Gesicht.
Ihre Mutter runzelte die Stirn. „Wo sind die Kinder?“
Sarah holte tief Atem. „Ich habe sie nicht mitgebracht, weil ich allein mit euch sprechen muss.“
Ihr Vater musterte ihr blasses Gesicht und ihre angestrengte Haltung. „Stimmt etwas nicht, Sarah? Setz dich, damit wir in Ruhe reden können.“ In seiner Aufforderung schwang ein warnender Unterton mit. Einen hysterischen Ausbruch würde er keinesfalls dulden.
Sarah schluckte hart. „Gestern Abend habe ich Rafael getroffen.“
Unter dem sorgfältig aufgetragenen Make-up erbleichte ihre Mutter. Charles Southcott war nicht so leicht zu durchschauen. Er beobachtete sie ohne sichtbare Reaktion. Sein Schweigen lastete zentnerschwer auf ihr, doch sie zwang sich weiterzusprechen. „Ich war auf einer Party, dort habe ich ihn getroffen.“
„Mit welchen Menschen umgibst du dich neuerdings?“ Louises leise Stimme schwankte leicht.
„Anschließend kam er in mein Apartment.“
Zum ersten Mal zeigte Charles Southcott eine Reaktion, sein Blick wurde noch kühler. „Auf deine Einladung hin?“
Vorwurfsvoll sah seine Frau ihn an. „Sarah hätte ihn nie nach Hause eingeladen!“
„Er wusste nichts von den Zwillingen“, fuhr Sarah steif fort. „Er dachte, ich … ich hätte abgetrieben. Das hätte man ihm mitgeteilt.“
Bleierne Stille herrschte im Raum. Ihre Mutter studierte intensiv ihre verschränkten Hände. Das Gesicht ihres Vaters blieb verschlossenen, lediglich ein Nerv in seinem Mundwinkel zuckte.
„Aber … das kann doch nicht sein!“ Sarah schämte sich des schrillen Tons ihrer Stimme.
Charles Southcott atmete kurz aus. „Setz dich, Sarah. Mach jetzt bitte keine Szene.“
Sie fühlte sich elend, erschüttert. So ging es ihr immer, wenn sie ihrem Vater die Stirn bot. Zögernd und mit stocksteifem Rücken ließ sie sich auf einem der bequemen, sorgfältig mit Kissen ausgestatteten Korbstühle nieder.
„Eines möchte ich direkt klarstellen. Uns lag ausschließlich an deinem Wohlergehen“, begann ihr Vater. „Als Alejandro nach New York ging, waren wir sehr um dich besorgt. Deine Ehe schien dich zu vernichten.“
„Er hat dich uns entfremdet und kaputt gemacht“, warf ihre Mutter bitter ein. „Wir haben dich verloren.“
Sarahs Kehle zog sich schmerzhaft zusammen. „Aber er war mein Ehemann, ich habe ihn geliebt.“
Charles Southcott lachte höhnisch. „Du hast ihn nicht geliebt. Du warst von ihm besessen, krankhaft besessen, und du brauchtest Hilfe …“
„Hilfe?“, erwiderte Sarah erstickt. „Ihr nennt es Hilfe, mich in eine Klinik einzusperren?“
„Sarah“, flüsterte Louise flehend. „Bitte …“
„Das geschah zu deinem Besten. Ich wollte dich nicht verletzen, sondern zur Besinnung bringen“, fuhr ihr Vater kühl fort. „Als Alejandro die Frechheit besaß, wieder hier aufzutauchen …“
Sarah erstarrte. „Rafael kam hierher?“, warf sie ungläubig ein.
Ihre Mutter murmelte: „Wir mussten ihn von dir fernhalten. Dir ging es nicht gut. Wahrscheinlich hättest du sogar eine Fehlgeburt erlitten. Wir haben ihn nicht direkt angelogen, er zog seine Schlüsse, und wir widersprachen ihm nicht.“
Die schmalen Lippen ihres Vaters verzogen sich zu einem unfreundlichen Lächeln. „Wie viele Südeuropäer glaubte auch er anscheinend, dass einer bösen Tat irgendeine Form von göttlicher Vergeltung auf dem Fuß folgt. Die Abtreibung sozusagen als Strafe für sein Benehmen dir gegenüber“, spottete er. „Ich unterstützte diesen Glauben.“
Sarah beugte sich benommen vor. „Wie konntet ihr ihm das antun?“
„Ich habe ebenfalls dafür gesorgt, dass der Brief, den du ihm schicken wolltest, vernichtet wurde“, fügte ihr
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