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anderbookz Short Story Compilation II

anderbookz Short Story Compilation II

Titel: anderbookz Short Story Compilation II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Carol Oates , Peter Straub , Jewelle Gomez , Thomas M. Disch , Ian Watson , Robert Silverberg
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vergeblich das Blut ab, das aus seiner Stirn rann und inzwischen fast die ganze linke Gesichtshälfte verschmiert hatte. Er sah wie ein Indianer in Kriegsbemalung aus - ein besiegter, verlorener Indianer, denn seine Augen waren trüb, und er drehte den Kopf rastlos von einer Seite zur anderen.
    Ein paar Schritte von Eddie entfernt lag der Stuhl, auf dem er gesessen hatte. Eine der dünnen, zierlichen Armlehnen lag brutal abgebrochen daneben. Sie sah wie ein Insektenbein aus, dachte Harry, wie eine Spielzeugpistole.
    Einen Augenblick glaubte Harry, auch sein Gesicht wäre rot von Blut. Er strich sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete seine glitzernde Handfläche. Es war nur Schweiß. Sein Herz schlug wie eine Glocke. Neben ihm sagte Eddie: »Aaah ... was ...?« Die Kopfverletzung hatte ihn aus der Trance zurückgeholt.
    Die Kleider waren ruiniert, zertreten, durcheinander, zerrissen. Der Spiegel war zersplittert. Der Tisch war verstümmelt. Maryroses Stuhl lag auf der Seite wie ein Mordopfer, der abgetrennte Arm endete in einem Bausch von Korbgeflecht.
    »Mein Kopf tut weh «, sagte Eddie mit schwacher, zitternder Stimme. »Was ist passiert? Ah! Ich blute, Harry! Ich bin ganz voller Blut!«
    »Du bist ganz voller Blut, du bist ganz voller Blut?« brüllte Harry. »Alles ist voller Blut , du Dummkopf! Sieh dich doch nur um!« Er kannte seine eigene Stimme nicht mehr, die schrill und dünn klang und von anderswo zu kommen schien. Klein Eddie wich einen vergeblichen Schritt vor ihm zurück, und Harry wollte ihn anspringen, seinen blutigen Kopf zu einem Pfannkuchen prügeln, ihn vernichten, zerschmettern ...
    Eddie hielt die blutverschmierte Handfläche hoch und starrte sie an. Er wischte sie abwesend an seinem T-Shirt ab und machte einen weiteren unsicheren Schritt. »Ich habe Angst, Harry«, stieß seine piepsige Stimme hervor.
    »Sieh dir nur an, was du getan hast!« kreischte Harry. »Du hast alles kaputtgemacht! Verdammt! Was glaubst du, wird nun mit uns passieren?«
    »Was wird Mom tun?« fragte Eddie mit einer Stimme, die kaum mehr als ein Flüstern war.
    »Das weißt du nicht?« brüllte Harry. »Du bist tot!«
    Eddie fing an zu weinen.
    Harry ballte die Hände zu Fäusten und schloß die Augen. Sie waren beide tot, das war die Wahrheit. Harry öffnete die Augen, die sich heiß und seltsam schwer anfühlten, und starrte seinen schluchzenden, rotverschmierten, nutzlosen kleinen Bruder an. »Blaue Rose« sagte er.

    10

    Klein Eddies Hände sanken an seine Seite. Sein Kinn sank herab, der Mund stand offen. Blut lief in einem anmutigen Bogen an der linken Seite seines Gesichts herab, dem Umriß des Unterkiefers entlang und verschwand in einem schmalen Rinnsal in seinem T-Shirt. Blut aus der linken Braue tropfte unaufhörlich zu Boden, wie aus einem Wasserhahn.
    »Du wirst tief schlafen«, sagte Harry. Wo war die Hutnadel? Er sah zurück zu dem einzigen noch stehenden Stuhl, wo der Perlmuttkopf auf dem Boden glänzte. »Dein ganzer Körper ist taub .« Er ging hinüber zu der Nadel, bückte sich und hob sie auf. Der Metallschaft fühlte sich warm in seinen Fingern an. »Du kannst keine Schmerzen spüren.« Er ging wieder zu Klein Eddie. »Nichts kann dir weh tun.« Harrys Atem schien von alleine zu gehen, schien sich mit keuchenden Zügen selbst in seine Kehle zu zwingen, dann stieß er sich hinaus.
    »Hast du mich verstanden, Klein Eddie?«
    Mit seiner erdigen, langsamen, hypnotisierten Stimme sagte Klein Eddie: »Ich habe dich verstanden.«
    »Und du kannst keine Schmerzen spüren?«
    »Ich kann keine Schmerzen spüren.«
    Harry zog den Arm zurück, die Spitze der Nadel ragte aus seiner Faust heraus, dann ließ er die Hand, so schnell er konnte, nach vorne schnellen und stieß die Nadel durch das blutgetränkte T-Shirt in Eddies Unterleib. Er atmete schwer aus und bemerkte einen üblen sauren Nachgeschmack in seinem Atem.
    »Du spürst nichts.«
    »Ich spüre nichts.«
    Harry öffnete die rechte Hand und hämmerte mit der Handfläche mehrmals gegen den Kopf der Nadel, wobei er sie stets ein Stückchen weiter hineintrieb. Klein Eddie sah wie eine Voodoopuppe aus. Eine Art funkelndes Licht umgab ihn. Harry umklammerte den Kopf der Nadel mit Daumen und Zeigefinger und zog sie heraus. Er hielt sie hoch und begutachtete sie. Auch die Nadel war von funkelndem Licht umgeben. Der lange Schaft war blutverschmiert. Harry schob die Nadel in den Mund und schloß die Lippen um das warme Metall.
    Er sah sich selbst,

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