anderbookz Short Story Compilation
Frauenflügel. Die Wachen entlang des Weges waren gleichfalls meine Gefolgsleute, aber ich stellte sicher, daß sie erfuhren, daß ich gerufen worden war. Zu meiner ziemlichen Verwunderung wußten sie es bereits.
Meine Männer begleiteten mich bis zur Tür ihrer Kammer, mit dem Befehl, dort Wache zu halten. Vielleicht würden sie grinsen und sich fragen, ob ich nervös war. Ich war es.
Als ich den Raum betrat, glaubte ich, er sei leer. Ihre Frauen waren weggeschickt worden. Eine Kohlenpfanne brannte in der Nähe des Eingangs, aber ich war inzwischen an den Duft dieser Gewürze gewohnt. Es war eine Vollmondnacht, und reines Licht lag voll über dem Bodenmosaik, verlieh ihm eine falsche, blasse und nächtliche Färbung. Das Bett, schmal, niedrig und schlicht, stand an einer Wand und ihr Nachttisch dicht daneben. Im Fenster sah man unter dem Mond die Spitzen des Waldes, so schwarz, daß der Indigohimmel blaß erschien.
Dann flammte ein rotgoldenes Licht auf, und ich sah sie, wie sie die Lampen mit einer Wachskerze entzündete. Ich hätte fast schwören können, daß sie einen Augenblick zuvor noch nicht dort gewesen war, aber sie konnte lange Zeit bewegungslos stehen und mit ihrer dunklen Robe und dem dunklen Haar und all ihrer anderen Dunkelheit hatte sie selbst etwas Schattenhaftes.
»Hauptmann«, sagte sie. (Sie benutzte nie meinen Namen, sie mußte wissen, daß ich es nicht wollte; als Zauberin war sie sich der Macht von Namen wohl bewußt.) »Es gibt keine Verschwörung gegen Euch.«
»Das ist gut zu wissen«, erwiderte ich, die Distanz haltend, froh über mein Schwert und jedes sichtbare Zeichen dessen, was und wer ich war.
»Ihr habt Euch sehr ehrenhaft verhalten in dem, was mich betrifft«, sagte sie. »Ihr habt nichts gegen mich unternommen, weder offen noch im geheimen, obwohl Ihr mich von Anfang an haßtet. Ich weiß, was Euch das gekostet hat. Verschmäht meine Dankbarkeit nicht, einzig und allein, weil sie meine ist.«
»Herrin«, entgegnete ich (auch ich benutzte ihren Namen nicht, wenngleich alle anderen es taten, wie es in der Stadt üblich war), »Ihr seid sein. Er hat Euch zu seiner Gemahlin gemacht. Und ...« Ich hielt inne.
»Und zum Gefäß seines Kindes. Ah, glaubt Ihr, er hat es allein getan?« Sie sah meinem Starren die Gedanken an Dämonen an und sagte: »Er und ich, Hauptmann. Er und ich.«
»Dann diene ich Euch«, erklärte ich. Und wenngleich ich ihr nicht die Genugtuung geben wollte, fügte ich mit ironischem Unterton hinzu: »Es gibt nichts, das Ihr zu befürchten hättet, soweit es mich angeht.«
Wir sprachen Griechisch, ihres war klar wie Wasser, mit einer Stimme, die, wie ich zugeben mußte, sehr schön war.
»Ich hege weiter Befürchtungen«, sagte sie.
»Dann kann ich Euch nicht helfen, Herrin.« Wir schwiegen. Sie stand da und musterte mich durch den Schleier, ohne den ich sie nur ein einziges Mal gesehen hatte, als sie ihn gegen einen aus Farbe getauscht hatte. Ich fragte mich, wo der Hund war, der die gleichen Augen wie sie besaß. Ich sagte: »Aber ich möchte Euch warnen. Falls Ihr Eure Geschäfte hier vollzieht - es hat einiges komische Gerede gegeben.«
»Sie sehen einen Dämon, nicht wahr?« fragte sie.
Plötzlich begann sich das Haar in meinem Nacken und auf dem Kopf aufzurichten.
Als könne sie meine Gedanken lesen, sagte sie:
»Ich habe keinen Namen ausgesprochen. Habt keine Furcht.«
»Die Sklaven bekommen Angst.«
»Nein«, meinte sie. »Sie haben immer über mich geredet, aber sie haben nie Angst vor mir gehabt. Keiner von ihnen. Draco fürchtet mich nicht; könnt Ihr Euch das vorstellen? Und die Priester tun es nicht. Oder die Frauen und Mädchen. Oder die Kinder und alten Männer. Oder die Sklaven. Oder Eure Soldaten. Keiner von ihnen fürchtet mich oder was ich bin oder was ich tue - das Gold, mit dem ich ihre Tempel fülle, oder die reichen Ernten, oder die Heilungen, die ich vollbringe. Keiner von ihnen fürchtet es. Aber Ihr, Hauptmann fürchtet Euch, und Ihr lest Eure Furcht wieder und immer wieder in jedem Blick, in jedem Wort, das sie äußern. Aber es ist Eure, nicht die ihre.«
Ich blickte weg von ihr, hinauf zur Decke, wo die Muster schon vor Jahren verblichen waren.
»Vielleicht«, sagte ich, »bin ich nicht blind.«
Da seufzte sie. Und als ich es hörte, dachte ich einen winzigen Augenblick von ihr als einem verlassenen, hilflosen Mädchen, das unter Fremden in einem fremden Land einsam war.
»Es tut mir leid«, sagte ich.
»Es ist
Weitere Kostenlose Bücher