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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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lächelten ihn an und die vielen anderen, die ihre Hälse reckten, um zu sehen, wen Hausser gemeint habe, ließen Christian rot werden und er fühlte sich geschmeichelt. Ihn durchströmte ein Gefühl der Dankbarkeit und in diesem Moment wäre er für Hausser durchs Feuer gegangen. Ihm war, als hätte er einen Auftrag erhalten, den er erfüllen wollte. Er genoss die Anerkennung, die ihm durch die Geste des Redners zuteil wurde und die sofort von den Menschen aufgenommen wurde und ihn bis zum Schluss der Veranstaltung trug. Erst auf der Heimfahrt fiel ihm wieder der Mann aus Oradour ein; er verzichtete aber darauf, seinen Vater darauf anzusprechen.
    „Fahren du und Stefan wieder mit zum Treffen?“, fragte Fritz Lorenz.
    „Ich weiß nicht, ich habe mit Stefan noch nicht darüber gesprochen.“
    Christian fühlte sich überfahren. Wieso sollte er sich schon jetzt entscheiden? Im Juli nächsten Jahres, bis dahin waren es noch acht Monate. Er hatte jetzt anderes im Sinn. Es war unglaublich, die HIAG und die Treffen waren vollkommen aus seinem Kopf verschwunden. Er stellte sich Ricky von Dülmen in Karlburg vor. Lachhaft. Was sollte er Helga erzählen? Dass er zu einem Treffen von Hitler-Anhängern fuhr? Absurd. Er dachte an die in ihrem Enthusiasmus verzückten Gesichter und die stakkatohaft vorgetragenen Sprechchöre und plötzlich kam ihm die Erinnerung an die Veranstaltung mit voller Wucht zurück, an sein Unwohlsein, aber auch an seine Entwaffnung, ausgelöst durch den Blick von Hausser, für die er sich jetzt schämte. Sie war ihm plötzlich peinlich und in diesem Augenblick entschied er sich, auf Stefans Meinung zu verzichten, der käme vielleicht sogar auf die Idee, sich auf die Fahrt zu freuen.
    „Nein“, sagte er, „ich möchte da nicht hinfahren.“
    In die darauffolgende Stille ließ Fritz Lorenz gepresst die Luft durch die Nase entweichen, Ingeborg Lorenz hielt den Atem an, Renate glotzte mit halbgeöffnetem Mund zu ihrem Bruder. Alle schwiegen einen unerträglich langen Moment.
    Christian nestelte an seiner Serviette und bezog innerlich seine Abwehrmauer, nur gelang es ihm nicht, sich zu wappnen, er war nicht gerüstet gegen die Übermacht des Vaters. Also wartete er ab und als er schließlich einen Blick in seine Richtung riskierte, hatte sein Vater den Mund zu einem Strich verzogen und sagte mit leiser Stimme, von der er wusste, dass sie keinen Widerspruch duldete: „Du fährst mit. Das sind ja ganz neue Sitten. Was soll ich denn Kremers erzählen?“
    Ingeborg legte ihre Hand beschwichtigend auf seinen Arm und sagte: „Lass doch, es ist ja noch Zeit. Muss ja nicht heute sein.“ Sie schaute Christian an und nickte ihm fast unmerklich zu.
    Aber Fritz Lorenz entzog ihr seinen Arm und schüttelte den Kopf.
    „Ich möchte doch zu gern wissen, was unserem Herrn Sohn plötzlich nicht mehr an den Treffen gefällt. Wenn ich mich recht erinnere, waren er und Stefan doch ganz begeistert von Karlburg zurückgekommen.“
    Christian druckste herum, er hatte keine Antwort parat, außer dass die Veranstaltungen der HIAG für ihn vorbei waren, Schnee von gestern. Das konnte er natürlich nicht laut sagen, deshalb wiederholte er, dass er nicht mitführe.
    Fritz Lorenz schlug auf den Tisch und explodierte so unvermittelt, dass alle zusammenzuckten. Christian sank förmlich in sich zusammen, Ingeborg schloss ihre nervös flatternden Augenlider, nur Renates Mund umspielte nach dem ersten Schrecken ein kleines schadenfrohes Lächeln und sie ließ interessiert ihren Blick von Vater zu Sohn wandern, als wohnte sie einem Schauspielakt bei, der ihr aus sicherer Entfernung einen kleinen Nervenkitzel böte.
    „Du fährst mit! Keine Widerrede! Schluss jetzt!“
    Fritz Lorenz’ Zornesausbruch fiel so schnell in sich zusammen, wie er gekommen war. Er wusste natürlich, dass er seinen Sohn nicht gegen seinen Willen mitnehmen konnte, und eine Welle der Enttäuschung durchflutete ihn. Er nahm sich vor, in den nächsten Tagen mit Christian in Ruhe zu reden.
    Es war aber noch nicht Schluss. In Christian bäumte sich alles auf. Konnte er denn nicht sein eigenes Leben leben? Er war jetzt fast siebzehn Jahre und immer musste er gehorchen, alles wurde ihm verboten. Und wieder schoben sich die Erlebnisse der letzten Tage in seinen Kopf, denn darum ging es, das war das Wesentliche. An ihnen musste er festhalten, sie retten, sich retten; eine neue Welt, wie rudimentär sie ihm auch immer bislang ihren Zauber offenbarte, hatte sich ihm

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