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Anderer Welten Kind (German Edition)

Anderer Welten Kind (German Edition)

Titel: Anderer Welten Kind (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Ehmer
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Stimmung kochte über, glänzende Augen ließen ihn nicht los, Körper waren ihm hingebungsvoll zugewandt, ihrem Helden, ihrem ungebeugten Kriegshelden, und dann brach es aus ihnen heraus und sie brüllten und riefen „Heil Hitler!“ Plötzlich erklang zuerst einzeln und dann im donnernden Chor das Lied Wir sind die Garde, die der Führer liebt und die Standarte Adolf Hitler wurde hochgehalten und sie klatschten minutenlang.
    Als Meyer anfing zu sprechen, wurde es auf einen Schlag still im Zelt. Alle wollten etwas verstehen und die hinten Stehenden reckten ihre Hälse oder bestiegen die Stühle. Von Haltung, Ehre, Treue war die Rede und die Zustimmung zu jedem Satz war vollkommen und setzte sich vom Tisch bis in die letzten Reihen fort. Meyer sprach langsam, betonte überdeutlich und ließ lange Pausen zwischen den Sätzen, die mit kurz aufbrausenden Beifallsstürmen quittiert wurden. Die Beschwörung der Unschuld, formelhaft wiederholt, erlöste ihre Seelen und balsamierte ihr gekränktes Ego als verkannte, missachtete und beschmutzte Helden, die doch nur ihre Pflicht getan hatten.
    Als Meyer damit endete, es den Historikern überlassen zu wollen, wer 1939 schuld am Kriegsausbruch gewesen sei, und dass die Waffen-SS im deutschen Notjahr 1939 für selbstverständlich gehalten habe, ihre Pflicht zu tun, stimmten sie die erste Strophe des Deutschlandliedes an und streckten ihre Arme zum Hitler-Gruß.
    Panzer Meyer hatte aus ihrem Herzen gesprochen und Christian, der sah, wie Stefan ebenfalls den Arm hochgerissen hatte, hielt irritiert inne. Das ging ihm zu weit, er fühlte sich plötzlich unwohl inmitten dieser Masse, die ihn zu ängstigen begann. Diesen Fanatismus und was da an Emotionen herausbrach, konnte er schwerlich mit seinem sonstigen Leben zusammenbringen, das wollte er nicht. Es drängte ihn wieder hinaus zu den Autos, weg von dem Geschrei, weg von diesem Befreiungsakt der verkannten Seelen. Deutschland war jetzt anders, das war hier nicht sein Land, das waren nicht Stefan in Lübeck, nicht sein Vater in seinem Schmerz, nicht Helga und ihre Eltern, die alles, was Hitler und den Nationalsozialismus betraf, ablehnten, selbst den Autobahnbau oder die Kraft-durch-Freude-Ferien, und den Anstreicher Hitler als großes Unglück für das deutsche Volk bezeichneten.
    Gerade, als er sich umdrehen wollte, bestieg Hausser den Tisch und die Menschen beruhigten sich. Seine Rede war nüchterner, weniger auf die Seele abgestimmt denn auf historische Einordnung der Waffen-SS.
    Christian hörte nicht mehr richtig zu, es erreichten nur Wortfetzen sein Ohr, auch hier war von der Gesundung des Volkskörpers, der Zersetzung und Verleumdung die Sprache. Ein Satz blieb ihm hängen.
    „Wir waren Kerle, die sich in einer schweren Situation männlich zu benehmen wussten. Alles andere, was über die Waffen-SS berichtet wurde, entbehrt der Wahrheit und ist eine bösartige Verleumdung.“
    Ihm gefiel das Wort „männlich“, das war einleuchtend und klar, das konnte gelten.
    Hellhörig wurde er noch einmal, als Hausser sagte: „Die Sache mit Oradour war nicht in Ordnung gewesen.“
    Darüber, nahm er sich vor, wollte er noch einmal mit seinem Vater reden. Wenn sogar Hausser daran Kritik übte, dachte er eben, als sein Blick auf den Mann traf, auf den Stefan ihn aufmerksam gemacht hatte. Er stand nahe am Tisch und hing an den Lippen von Hausser, den Kopf hochgestreckt, als wollte er kein Wort versäumen. Bei der Erwähnung des Namens Oradour riss er seinen Kopf ruckartig noch ein Stück höher und mit offenem Mund nickte er mehrere Male eifrig, sein ganzer Körper geriet in Bewegung und die Hände öffneten und schlossen sich unkontrolliert. Hausser, dem der Mann nicht entgangen war, reagierte mit einem kurzen Stirnrunzeln, bevor er seine Rede fortsetzte und dem Mann keinerlei weitere Beachtung schenkte.
    Christian berührte diese Szene und er fragte sich, was der Mann wohl erlebt haben mochte, als er vom letzten Satz von Hausser abgelenkt wurde. Der wandte sich gegen die kritischen Journalisten und er forderte die Menschen auf, zum Gegenangriff überzugehen.
    „Sorgen wir dafür, dass diese Bazillenträger geistiger Zersetzung keine Verbreitung finden. Sorgt dafür, dass solche Zeitungen nicht in die Hände unserer Jugend kommen.“
    In diesem Augenblick schaute Hausser direkt Christian an, zeigte mit der rechten Hand auf ihn und nickte ihm zu. Sofort drehten sich die Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung zu ihm hin und

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