Andular (Noirils Verrat) (German Edition)
auf in Richtung Lager. Die Sonne hatte nun fast ihren Zenit erreicht und so bestieg er den hohen Baum, von dessen Spitze er nach Jesta Ausschau hielt. Es dauerte nicht lange, da erkannte er die Umrisse seines Gefährten am Horizont, und nachdem er noch eine Weile in den Ästen gewartet hatte, kletterte er wieder hinunter und setzte sich an die Feuerstelle.
Kurze Zeit später erreichte Jesta die Stelle des Waldes, von der aus er einen Tag zuvor aufgebrochen war. Dort stieg er ab und bahnte sich fröhlich pfeifend seinen Weg in nördlicher Richtung, bis er den Lagerplatz erreicht hatte.
„Deiner Laune nach zu urteilen“, sagte Crydeol und erhob sich, „scheint dein Aufenthalt in Panjan nicht umsonst gewesen zu sein, hab ich recht?“
Jesta lächelte. Dann sah er den toten Hirsch neben Crydeol liegen und antwortete: „Stimmt. Und wie ich sehe, war eure Jagd auch nicht umsonst. Ein schönes Tier, das ihr da erlegt habt.“
Sie setzten sich an die Feuerstelle und Jesta berichtete von seinen Erlebnissen in der Stadt. Den Teil mit den Kindern, von denen er Renyans jetzigen Aufenthaltsort erfahren hatte, ließ er vorerst jedoch aus, denn er wollte Crydeol zuvor noch von seiner Beobachtung erzählen, die er während seiner Reise nach Panjan über dem Hügel gemacht hatte. Gleich danach schilderte er ihm auch die Unterhaltung, die er mit dem alten Knaudelmann geführt hatte und befragte Crydeol anschließend nach seinem Wissen über den legendären Wolkenwal.
„Ich selbst habe ihn nie gesehen“, antwortete Crydeol. „Meine Mutter erzählte uns oft von ihm, als wir noch Kinder waren und sie uns zu Bett brachte. Sie sagte damals, der alte Wolkenwal würde über alle Menschen wachen und nachts, wenn die Kinder schlafen, hält er all die bösen Träume von ihnen fern.“ Er schüttelte den Kopf und begann zu lachen, als ihm die Erinnerungen an seine Kindheit wiederkamen.
„Dann ist der alte Urca also ein gutes Geschöpf?“
„So genau kann man das nicht sagen, Jesta. Er ist weder gut noch böse, sondern verkörpert eher eine Art Schutzgeist, der unsere Welt bewacht. Aber wie dir der alte Knaudelmann schon erzählt hat, hat man ihn schon seit Langem nicht mehr am Himmel gesehen. Und was sein Erscheinen zu bedeuten hat, wenn er es denn wirklich war, darauf kann auch ich dir keine Antwort geben.“
Jesta legte sich auf die Seite und stützte seinen Kopf mit einer Hand ab. „Wenn man ihn dazu bringen könnte, auf ihm zu reiten, dann würde man bestimmt über die unüberwindbaren Gajoraberge fliegen können, nicht wahr?“
Da lachte Crydeol, und das so laut, wie es Jesta nie zuvor von ihm gehört hatte und ein wenig beschlich ihn das Gefühl, dass der General sich über ihn lustig machte.
„Ich glaube kaum, dass man den alten Wolkenwal jemals dazu bewegen könnte. Auch wenn es ihm möglich wäre, über die Berge hinweg zufliegen, so würde es sicherlich niemandem gelingen sich einfach so auf seinen Rücken zu setzen.“
Jesta fühlte sich gekrängt, aber er wartete, bis Crydeol sich wieder gefangen hatte. „Das findet ihr lustig, nicht wahr? Aber lacht ruhig, ja lacht ruhig weiter, dann werde ich mir noch einmal überlegen, ob ich euch an meinem Wissen über Renyans Aufenthaltsort teilhaben lasse.“
Sogleich verstummte das Gelächter des Generals.
„Du hast es herausgefunden, und das sagst du erst jetzt? Wo ist er und was hast du sonst noch in Erfahrung bringen können?“ Die Fröhlichkeit war aus Crydeols Gesicht verschwunden, das nun wieder einer steinernen Maske glich.
„Talan“, antwortete Jesta, verschreckt über Crydeols plötzlichen Sinneswandel.
„Talan“, wiederholte Crydeol leise, „das liegt zwei Tagesreisen von hier entfernt, zu Pferd versteht sich. Doch heute noch aufzubrechen wäre töricht, da wir spätestens morgen Abend in offenem Gelände unser Lager aufschlagen müssten.“ Er machte eine kurze Pause. „Wir brechen morgen früh auf und reiten in östlicher Richtung weiter durch die Wälder. Haben wir diese Strecke hinter uns gebracht, machen wir uns auf in Richtung Süden, bis wir die breite Grenzstraße erreicht haben, die den nördlichen Teil des Waldes vom südlichen trennt. Leider ist diese Stelle auch der einzige Schwachpunkt meiner Reiseroute, da wir dort Gefahr laufen jemanden zu begegnen, der in Talan von uns berichten könnte.“
Jesta richtete sich wieder auf. „Warum seid ihr so besorgt, dass uns jemand sehen könnte? Selbst wenn uns jemand begegnet, so heißt das noch
Weitere Kostenlose Bücher