Andular (Noirils Verrat) (German Edition)
doch, oder?“
Jesta betrachtete den Raben und war fasziniert von seinem weißen, schimmernden Gefieder. „Das ist also euer Käfigbewohner, hab ich Recht, Candol?“
Der Zauberer ging auf Renyan zu und kraulte dem Raben den Kopf. „Ja“, sagte er und schloss das Fenster wieder. „Das ist Avakas, der König der Raben und ein treuer Freund meinerseits!“
„Wann sollen wir aufbrechen?“, fragte Renyan und spähte aus dem Fenster. Langsam wurde es dunkel auf der Lichtung und auch von den Woggels war weit und breit nichts mehr zu sehen oder zu hören.
„Die Zeit drängt zwar“, antwortete Candol und ging wieder zu seinem Bett hinüber, „aber du solltest bis morgen früh warten. Es ist zu riskant, jetzt noch aufzubrechen, außerdem solltest du dich vorher etwas ausruhen.“
„Was ist mit mir, Candol?“, fragte Jesta, der sich mittlerweile recht überflüssig vorkam. „Soll ich etwa hier bleiben und nichts tun?“
Candol sah ihn lächelnd an. „Du, Durandi, wirst hier bei mir bleiben und mir Gesellschaft leisten. Wenn man so abgelegen lebt, wie ich es nun mal bevorzuge, freut man sich über Besuch. Außerdem bin ich schon lange an der Kultur deines Volkes interessiert und erhoffe mir durch dich an einige aufschlussreiche Informationen über die Durandi zu gelangen.“
Murrend nahm Jesta seine Entscheidung hin und setzte sich in einen großen Ohrensessel, der vor dem Kamin stand. Und plötzlich zeigte sich auch wieder sein Wullom und steckte seinen wuscheligen Kopf aus der Tasche.
„Oh!“, sagte Candol überrascht. „Wen haben wir denn da? Ein solches Geschöpf ist mir ja noch nie unter die Augen gekommen.“
Er ging auf Jesta zu und bestaunte Taykoo, der nun vollständig aus der Tasche gekrabbelt kam und auf Jestas Schulter hopste.
„Ich unterbreche deinen Wissensdurst ja nur ungern, Candol“, sagte Renyan und öffnete die Türe zu Avakas Käfig, worauf der Rabe hineinsprang und sich auf die Schaukel setzte. „Aber es könnte sein, das zwei meiner Begleiter morgen an den Grenzen des Waldes auf Avakas warten, damit er sie zu uns führt. Es ist eine der Talani und ein Molbar, genauer gesagt der, der Crydeol angegriffen hat.“
Die Reaktion auf seine Worte war bei Candol und Jesta in etwa gleich, denn beide starrten ihn nun überrascht an, doch der Durandi fand als Erster seine Sprache wieder. „Ihr erwartet dieses Ungeheuer, Renyan? Dieses Ungetüm, das Crydeol angegriffen und verletzt hat? Das kann unmöglich euer ernst sein!“
Aber noch bevor Renyan ihm eine Antwort geben konnte ergriff Candol das Wort.„Interessant! Wie ich sehe, hast du mir noch nicht alles über euren Vorfall in den Bergen erzählt, Renyan. Aber das hat Zeit für später, zuerst sollten wir zu Abend essen. Ich werde etwas aus dem Schuppen holen, hoffentlich seid ihr genauso hungrig wie ich.“ Und das waren sie in der Tat.
Nachdem sie mit dem Essen fertig waren und Jesta so satt wie schon lange nicht mehr war, fragte er endlich das, was ihn schon die ganze Zeit seiner Reise über beschäftigt hatte. „Ist es wirklich wahr, Renyan? Das was Crydeol behauptet, das ihr mit Noiril…“
Doch weiter kam er gar nicht, denn Renyan antwortete ihm, noch bevor er die Frage zu Ende gestellt hatte. „Nein. Ich habe Vaskanias König nicht getötet. Ich verstehe, dass dies auf der Hand zu liegen scheint, aber ich habe Jaldor nicht ermordet.“
Candol lehnte sich zurück. Er wusste, worauf Jesta hinaus wollte, und kannte die Geschichte um Renyan, Noiril und den Anschlag auf den König nur zu gut. Doch er wollte ihre Unterhaltung nicht stören und so hielt er sich mit Äußerungen seinerseits zurück.
„Aber wer meint ihr könnte es getan haben?“, fragte Jesta weiter. „Und wo befindet sich Noiril jetzt?“
Renyan blickte schweigend auf seinen Teller. Dann stand er auf und setzte sich neben Crydeol. „Zu gerne würde ich dir deine Fragen beantworten, aber leider kenne ich die Antworten darauf selbst nicht. Viele Jahre ist es her, noch bevor Jaldor ermordet wurde, als ich eines Morgens aufwachte und Noiril nicht mehr an meiner Seite war. Er war einfach weg.“
„Aber habt ihr denn nicht mal einen Verdacht?“
„Nein. Vielleicht hat es dir Crydeol ja erzählt; nur jemand aus meiner Familie kann den singenden Bogen beherrschen. Nur durch die Hand eines Familienmitglieds treffen Noirils Pfeile, für alle anderen wäre er wertlos. Und da weder meine Eltern noch mein Bruder Tenyon leben, kann ich mir das alles nicht
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