Andular (Noirils Verrat) (German Edition)
kleinen und großen Gläsern und einem kleinen, sechsarmigen Kerzenständer, indem die weißen Kerzen schon weit hinunter gebrannt waren. Rechts neben dem Tisch stand ein glänzender, vermutlich aus Silber gefertigter Käfig auf einem hohen Fuß und einer kleinen, an Ketten befestigten, Schaukel. Ansonsten war der der Käfig leer.
Jesta betrachtete aufmerksam den Käfig und fragte sich, was in diesem wohl wohnen würde, da er sehr geräumig war, bei Weitem größer als der, den er für Taykoo in seinem Haus aufgehangen hatte. Neugierig suchten seine Augen den gesamten Raum ab, aber nirgendwo konnte er einen geeigneten Bewohner ausfindig machen.
Im hintersten Teil des Baumes, etwas abseits des verrußten Kamins, stand Candols Bett, auf das Renyan jetzt den bewusstlosen General legte. Scheinbar brauchte der alte Mann viel Platz, während er schlief, denn sein Bett war so breit, dass darauf ohne Weiteres drei Personen nebeneinander Platz gehabt hätten. Über dem Bett lag eine weiße, mit glänzenden Mustern bestickte Tagesdecke, die bis auf den glatten Holzboden herab reichte, auf dem ein großer roter Teppich lag.
Candol nahm nun seinen Hut ab und strich sich einige Haarsträhnen seines wirren grauen Haares aus dem Gesicht. Dann untersuchte er Crydeol, murmelte ab und zu etwas Unverständliches in seinen Bart und sah Renyan besorgt an.
„Seine Wunde werde ich behandeln können, sie beunruhigt mich nicht“, sagte er leise und zog die buschigen Brauen hoch. „Sein geistiger Zustand ist es, der mir Sorgen macht.“
„Sein geistiger Zustand?“, fragte Renyan. „Ich habe gedacht, er wäre ohnmächtig durch den harten Aufprall.“
„So wie es aussieht, scheint ihn irgendetwas vom Aufwachen abzuhalten. Zwar atmet er ruhig und regelmäßig, aber wenn du seine Augen betrachtest, kannst du erkennen, wie sie unter den geschlossenen Lidern unruhig hin und her wandern, so als würde er einen tiefen, inneren Konflikt austragen. Ich befürchte, dass wenn er nicht bald wieder sein Bewusstsein erlangt, ihn seine dunklen Träume noch weiter in die Tiefe ziehen werden und ihn dadurch für uns bald unerreichbar werden lassen.“
Renyan betrachtete Crydeols Augen und schüttelte irritiert den Kopf. „Aber wie kann ihn ein einziger Schlag in solche Abgründe werfen?“
Candol massierte sich die faltige Stirn. Es war ihm anzusehen, dass er angestrengt nach einer Erklärung suchte. „Ein Schlag eines Molbars kann oft schwerwiegende Folgen nach sich ziehen. Doch nützt es nichts, wenn wir hier neben ihm stehen und nach Antworten suchen. Vielleicht gelingt es mir ihn wieder zu uns zu holen, aber darauf sollten wir uns nicht verlassen, denn auch meine Heilkünste sind begrenzt und mit Verfassungen und Zuständen dieser Art kenne ich mich nicht zu genüge aus.“
„Was also schlägst du vor?“
„Seine Genesung ist dir ziemlich wichtig nehme ich an, ja? Nun, es gibt vielleicht wirklich etwas, das ihm helfen kann. Du musst nach Asmadar reisen und dort Ziron aufsuchen! Er ist vermutlich der Einzige der Crydeol jetzt noch helfen kann.“
„Asmadar“, wiederholte Renyan leise. „Glaubst du denn, dieser Ziron wird auf unsere Bitte eingehen und mich hierher begleiten?“
Candol schritt zu einem der kleinen Fenster und starrte nach draußen. „Du wirst dich als würdig erweisen müssen, Renyan! Wenn es dir gelingt, das Ziron dich achtet und respektiert, hast du vielleicht eine Chance. Doch höre auf meine Worte, wenn ich dir sage, das Ziron ein recht eigenwilliger Zeitgenosse ist. Er versteht unsere Sprache und spricht sie auch, jedoch wird er sich kaum dazu herablassen, mit dir zu reden. Mehr Ratschläge habe ich nicht für dich, aber ich werde dir Avakas mitgeben. Er sollte dir eine große Hilfe sein, denn Asmadar ist ein gefährlicher Ort!“ Er ging zu seinem Kamin und nahm eine kleine hölzerne Schachtel vom Sims. Im Inneren der Schachtel lag eine kleine weiße Feder, die er herausnahm und Renyan entgegenhielt. Renyan nahm sie und öffnete das kleine Fenster über dem Tisch. Dann strich er mit einer Hand über die Feder und rief: „Avakas, komm herbei, denn deine Hilfe wird benötigt!“
Plötzlich ertönte von draußen ein lauter Schrei, und es war der eines weißen Raben, der nun durch das geöffnete Fenster geflogen kam und sich auf Renyans ausgestrecktem Arm niederließ. „Avakas!“, begrüßte Renyan den Vogel und streichelte ihm den Kopf. „Du wirst mich auf meiner Reise nach Asmadar begleiten, das wirst du
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