Anemonen im Wind - Roman
Höllenweib – sie hatte gelernt, auf dieser abgelegenen Farm ebenso heimisch zu wirken wie im feinsten Hotel, und er konnte gut nachvollziehen, weshalb sie seine Anträge zurückgewiesen hatte. Er war ein Buschmann durch und durch; von seinem Reichtum abgesehen, war seine soziale Attraktivität gering, und er konnte ihr nichts anderes bieten als sein Herz und ein Leben voll harter, hingebungsvoller Arbeit für Jarrah Downs.
Er räusperte sich und knetete seinen Hut. Auf dem Flug hierher hatte er sich zurechtgelegt, was er sagen wollte, aber plötzlich widerstrebte es ihm, damit anzufangen. Sein Lebenswerk war vorläufig abgeschlossen, seine Zukunft ungewiss – und das war schwer zu verdauen oder gar mit ruhiger Autorität zu erörtern. Fast hatte er Angst, seine Pläne laut auszusprechen, denn das verliehe ihnen Endgültigkeit und machte sie beinahe real. Er spürte das erwartungsvolle Schweigen und Aurelias Unruhe. »Ich habe den größten Teil der Herde verkauft«, sagte er hastig. »Jarrah wird geschlossen, bis der Krieg vorbei ist.«
Alicia war sichtlich überrascht. »Aber das darfst du nicht«, sagte sie in scharfem Ton. »Wir müssen die Herden erhalten, damit wir das Land mit Fleisch versorgen können – und die Soldaten.«
Mickey wurde rot und senkte den Blick auf seine großen braunen Hände, narbenübersät von der jahrelangen Arbeit auf seinem Besitz. »Mein Seamus kämpft irgendwo in Afrika«, sagte er leise. »Die Männer, mit denen ich mein Leben lang gearbeitet habe, sind überall in der Welt verstreut. Ich bring’s nicht mehr über mich, hier zu bleiben und auf eine Herde verfluchter Rinder aufzupassen, während ich etwas Nützliches tun könnte.«
»Die Rinder am Leben zu erhalten, das ist etwas Nützliches«, beharrte Alicia. »Außerdem hat das Militär dich bereits abgelehnt – das hast du selbst gesagt.«
»Die Sache sieht inzwischen anders aus«, antwortete er. »Australien braucht jeden einzelnen Mann – sogar einen alten Kerl wie mich.« Er grinste, sah dann aber, dass sein Versuch, Humor zu zeigen, bei den Frauen nicht ankam, und fuhr fort. »Die Air Force hat mich als Pilot genommen.«
Alicia wurde blass, aber sie schwieg und steckte ruhig eine Zigarette in die elfenbeinerne Spitze.
»Du gehst also auch weg«, sagte Aurelia seufzend. »Ich wusste, dass es so kommen würde. Dieser schreckliche, schreckliche Krieg frisst unsere Männer, einen nach dem andern.« Sie raffte sich auf; es schien, als kratze sie die letzten Reste ihrer fast erstorbenen Lebensgeister zusammen. »Und was können wir für dich tun, Mickey?«, fragte sie noch einmal.
Er zog einen Stapel Papier aus seiner Jacke, legte ihn auf den Tisch und strich ihn glatt. »Das sind die Besitzurkunden von Jarrah. Und das ist mein Testament. Sollte mir etwas zustoßen, soll Jarrah auf Seamus übergehen.« Er wandte den Kopf und starrte zum fernen Horizont; dabei dachte er an seinen dreiundzwanzigjährigen Sohn, seinen einzigen Erben mit den irischen blauen Augen seiner Mutter und dem dunklen Haar. Auf der Farm war es so still ohne ihn. Seufzend wandte er sich wieder den Frauen zu. »Wenn wir beide nicht zurückkommen, gehört Jarrah Alicia.«
Alicia schnappte nach Luft. »Das kannst du nicht tun«, sagte sie schneidend. »Darauf habe ich kein Recht. Außerdem – was verstehe ich denn vom Betrieb einer Rinderfarm?« Sie drückte die Zigarette aus. »Es muss doch noch jemand anderen geben?«
Er senkte den Kopf. Ihre Weigerung überraschte ihn nicht,aber er blieb hart. »Wenn ich und Seamus es nicht schaffen, gibt es niemanden. Meine Frau ist vor fünfzehn Jahren gestorben, und mein anderer Sohn liegt auf Jarrah begraben.« Alicia schwieg, aber seine festen braunen Augen ließen nicht von ihr ab. »Du weißt, was ich für dich empfinde«, sagte er grimmig. »Und mir ist klar, dass du wahrscheinlich denkst, ich will dich zu irgendetwas erpressen, was du nicht willst. Aber da sind noch andere Dinge zu berücksichtigen. Tust du es für mich? Bitte?«
Alicia lehnte sich zurück; Zweifel verschleierte ihre blauen Augen. Mickey sah, dass sie verzweifelt um die richtigen Worte rang, weil sie ihm nicht noch mehr Schmerz und Erniedrigung zufügen wollte – und unwillkürlich liebte er sie schon deshalb.
»Du hast sehr deutlich gemacht, was du empfindest, Mickey, und ich wünschte …« Sie schwieg eine ganze Weile und schien dann zu einem Entschluss zu kommen. »Natürlich werde ich tun, was du möchtest, aber es wird
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