Anemonen im Wind - Roman
durchdringend und voller Angst.
Aurelia lag still unter der Decke, eine Hand neben sich, die Handfläche geöffnet, als wolle sie nach etwas greifen. Das Lächeln auf ihrem Gesicht war von so süßer Zufriedenheit, dass Ellie wusste, sie war gegangen. Aurelia hatte sie durch den schlimmsten Teil geleitet. War lange genug geblieben, um ihr die Liebe und die Unterstützung zu geben, die sie ihr schon immer gegeben hatte. Jetzt hatte sie genug. Jack hatte sie zu sich gerufen, und sie musste willig gefolgt sein.
Die Tränen liefen Ellie über die Wangen, ohne dass sie es merkte; sie nahm die Hand und küsste sie, und dann schob sie sie wieder unter die Wolldecke. Ihr Kopf sank auf die reglose Schulter, und sie schloss die Augen. Aurelia war ihr Mutter und Vater gewesen; sie hatte sie vorbehaltlos geliebt und sie geleitet, bis sie erwachsen geworden war. Jemanden wie Aurelia würde es nicht wieder geben, und nach den Schrecken der Nacht war dies zu viel. »Ich brauche dir nicht zu sagen, wie sehr wir dich alle lieben«, schluchzte Ellie. »Aber ich will dir danken. Danken dafür, dass du immer da gewesen bist. Danke dafür, dass du mich und meine Familie geliebt hast. Danke dafür, dass du einfach so warst, wie du warst.«
Ellie ließ ihren Tränen freien Lauf. Das alte Farmhaus von Warratah würde so leer und verlassen sein, wenn Aurelia nicht mehr da war – denn sie und Jack hatten bei allem, was dort geschehen war, eine große Rolle gespielt. Sie waren ihr Fels gewesen, ihr Schutz gegen alles Leid, ihr Trost und ihre Zuflucht in Zeiten, die andernfalls nahezu unerträglich gewesen wären.
Ellie kauerte in Jacks Flugzeug auf dem Boden, und ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem Mann, der neben ihr lag. Die Maschine setzte auf und kam neben dem wartenden Krankenwagen zum Stehen. Er war so reglos, so bleich, so mager. Aber ein mattes Lebenszeichen pulsierte noch an seiner Kehle, und sie wünschte sich mit aller Kraft, dass es nicht verlöschen möge. Joe war zu ihr zurückgekommen. Joe hatte sein Versprechen gehalten. So grausam konnte das Schicksal doch nicht sein, dass es ihn nun wieder von ihr fortriss?
Jack kletterte über die Trage und öffnete die Luke. Die schwüle Gluthitze von Darwin war nach der trockenen Wärme in der Kabine beinahe erstickend; schon als sie Snowy dabei half, die Trage hinauszuheben, klebten Ellie die Kleider an der Haut, und der Schweiß brannte in den vom Weinen geschwollenen Augen.
»Du muss ihn jetzt loslassen, Kind«, sagte Jack leise. Die Türen wurden zugeschlagen, und der Krankenwagen jagte über die Piste auf das Krankenhaus zu. »Sie wissen schon, was zu tun ist, und wir sind nur im Weg.«
Sie nickte; sie wusste, dass er Recht hatte, aber sie wäre doch gern an Joes Seite geblieben. Eine Staubwolke wehte hinter dem Krankenwagen her. Sie würden bereits arbeiten, würden um sein Leben kämpfen – und ihre fachmännischen Kenntnisse und Fertigkeiten waren für Joe jetzt sehr viel wichtiger als Ellies angstvolle, tränenreiche Anwesenheit.
Sie gingen die lange Straße entlang auf einen weißen Bungalow zu, der sich in eine Oase von Palmen und üppigen Farnen schmiegte, und die Hitze brannte unerbittlich auf sie herab. Ellie rollten Schweißtropfen über den Rücken und ließen das Hemd auf der Haut kleben. Ihre Blicke verfolgten die hektische Aktivität, die auf die Ankunft des Krankenwagens folgte.
»Er wird schon wieder«, brummte Snowy an ihrer Seite. »Die verstehen ihren Job – und das sollte ich wissen, denn ich war ja lange genug hier. Joe und ich.«
Ellie starrte ihn an. »Ihr wart hier? Und du hast mir nichts davon gesagt?«
Snowy warf einen Blick zu Jack hinüber und schaute dann auf seine Füße. Sie stiegen die Verandastufen hinauf und öffneten die Fliegentür. »Es stand auf Messers Schneide«, sagte er leise. »Ich wollte dir keine Hoffnungen machen. Joe ging’s ziemlich schlecht.«
»Er war gesund genug, dass du mit ihm den weiten Weg nach Warratah fahren konntest«, fuhr sie ihn an. »Warum hast du mich nicht vorgewarnt?« Ihr Gesicht legte sich in Falten. »Ich dachte, er ist tot. Ich habe endlich geglaubt, dass er nicht mehr nach Hause kommen wird.« Mit Tränen in den Augen schaute sie ihn an. »Kannst du dir vorstellen, wie ich mich gefühlt habe, als er plötzlich auftauchte?«
Jack legte ihr den Arm um die Schultern, und sie sank an seine Brust. »Es war meine Schuld«, sagte er leise. »Ich wusste, dass Joe nach Hause kommt, aber ich hatte keine
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