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Anemonen im Wind - Roman

Anemonen im Wind - Roman

Titel: Anemonen im Wind - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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das nicht«, bat sie. »Du darfst es nicht einmal denken.«
    »Versprichst du mir, dass du auf mich wartest, Ellie?«
    Ellie sank in seine Arme. Er war ihr Anker, ihr Fels, und sie hielt sich mit wilder Entschlossenheit an ihm fest. Die Sehnsucht nach ihm hatte schon begonnen. Der Schmerz, den es ihr bereitete, ihn gehen lassen zu müssen, brannte. Aber sie wusste, dass sie ihn loslassen musste. Dass sie ihm erlauben musste, seiner Bestimmung zu folgen, ehe er zu ihr zurückkehrte. Und zurückkehren würde er, dessen war sie sicher. Aber jung, wie sie war, fiel es ihr schwer, ihre Gefühle auszudrücken. Nur die Klischees ihrer geliebten Heftromane halfen ihr dabei. »Ich werde auf dich warten«, versprach sie. »Ich werde warten, bis die Hölle zufriert und der Mond ins Meer fällt.«
    Ellie stahl sich ins Haus zurück, als der Himmel schon hell wurde, und war überrascht, dass Tante Aurelia sie erwartete. Niedergeschmettert von Joes Plänen und himmelhoch jauchzend vor Glück, weil sie wusste, dass Joe sie liebte, sah sie gleichwohl bald, dass ihre Tante eigene Sorgen hatte. In den kurzen Stunden vor Tagesanbruch kamen sie einander näher denn je. Sie waren nicht länger Tante und Nichte, sondern zwei Frauen, die gemeinsam die Angst vor der Zukunft teilten.
    Der kurze Flug nach Cloncurry am späten Morgen war zu bald zu Ende. Ellie und Joe folgten Aurelia und Jack aus dem Flughafengebäude, und sie wussten, dass ihre gemeinsame Zeit fast vorüber war. Das Schweigen zwischen ihnen wuchs, Wortewurden zurückgehalten, Gedanken fest unter Kontrolle gebracht. Hand in Hand gingen sie ins Stadtzentrum.
    Cloncurry war aus seiner gewohnten Verschlafenheit gerissen und mit Girlanden und Fahnen geschmückt worden, und auf dem Rennplatz der Stadt spielte eine ungeübte Blaskapelle. Geländewagen, Autos und Pferdekutschen füllten die Straßen, und die Einheimischen mischten sich mit den Besuchern, die an diesem besonderen Tag in die Stadt gekommen waren. In den Pubs ging es hoch her, danach zu urteilen, wie dort gesungen wurde.
    Ellie sah die Reihe der Armeelaster und die Gruppen der tapferen Frauen, die zuschauten, wie ihre Männer fortgebracht wurden. Der Anblick erinnerte sie mit Macht daran, weshalb sie hier waren. Ellie war entschlossen, nicht in tränenreiche Hysterie zu verfallen. Sie zwang sich, ruhig zu bleiben, als Joe ihre Hand in seine Armbeuge legte. Dies waren ihre letzten gemeinsamen Augenblicke für Monate, ja, vielleicht Jahre. Sie wollte verdammt sein, wenn sie sie verdarb.
    Sie sah wohl, dass die anderen Mädchen Joe beäugten, als sie zu dem winzigen Park am Stadtrand spazierten, und reckte stolz das Kinn in die Höhe. Er war ihr Mann, und er sah gut aus in seiner braunen Uniform, die Mütze schräg auf dem dunklen Haar. Auf seinem kantigen Kinn erschienen schon neue Schatten, obwohl er sich erst am Morgen rasiert hatte. Und er hatte nur Augen für sie. Wunderbare Augen, grün wie Wintergras unter dichten schwarzen Wimpern.
    »Setzen wir uns dort hin«, sagte er, als sie ein Stückchen Wiese unter einem riesigen Rotgummibaum in voller Blüte gefunden hatten.
    Ellie schaute sich um. Sie waren nicht die Einzigen, die diese letzten Augenblicke zusammen genießen wollten. Familienväter waren da, deren Frauen und Kinder sich an sie klammerten; Jungen, die viel zu jung und sicher noch nicht diensttauglich waren und deren Mütter ihr Bestes taten, sie nicht zu umglucken, undauch Männer, deren Gesichter Ellie bekannt vorkamen, ohne dass sie sich an ihre Namen erinnern konnte.
    Sie setzte sich ins Gras, ohne auf ihr gutes Baumwollkleid zu achten, das sie eigens zu diesem Anlass angezogen hatte; sie war wie betäubt vor Anstrengung, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. So war es in jenen Tagen: Man war zugeknöpft, wortkarg und riss sich zusammen – denn ein unachtsames Wort, ein Gedanke, konnte die Fassade einreißen und einen Menschen in seiner Verletzlichkeit zeigen. »Es gibt so viel, was ich dir sagen möchte«, fing sie an. »Aber ich kann   … ich finde nicht die Worte.«
    Er strich mit dem Finger über ihre Wange zum Kinn. »Du brauchst nichts zu sagen«, flüsterte er. »Wir wissen, was in unserem Herzen ist, und das genügt.« Er fasste nach einer Strähne ihres Haars und schob sie ihr hinters Ohr. »Weißt du, was die Aborigines glauben? Dass jeder von uns ein Geistlied hat. Und dass allein dein Seelengefährte dieses Lied hören kann.« Er beugte sich zu ihr hinunter und legte seine Stirn an

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