Ange Pitou, Band 2
Leben.
Genug! genug! rief der König.
Oh! Sie weigern sich, aber sie werden Sie töten!
Meine Liebe, wenn die Edelleute im achtzehnten Jahrhundert im Felde sind, so sind sie es mit einem Kleide von Tuch, mit Weste und Hemd, das ist für die Kugeln; stellensie sich auf den Boden eines Ehrenkampfes, so behalten sie nur das Hemd, das ist genug für den Degen. Ich, ich bin der erste Edelmann meines Reiches, ich werde weder mehr noch weniger thun, als meine Freunde. Ueberdies: da wo sie Tuch nehmen, habe ich allein das Recht, Seide zu tragen. Ich danke, meine liebe Frau, ich danke, meine gute Königin, ich danke.
Ah! rief die Königin, zugleich in Verzweiflung und entzückt, warum hört ihn seine Armee nicht?
Der König aber hatte sich ruhig vollends angekleidet, ohne daß er den Akt des Heldenmuts, den er vollbracht, nur zu begreifen schien.
Kann denn eine Monarchie verloren sein, die in solchen Augenblicken ihren Stolz findet? murmelte die Königin.
Die Abfahrt
Als Ludwig XVI. von der Königin wegging, fand er sich unmittelbar umgeben von allen Offizieren und Personen seines Hauses, welche bestimmt waren, ihn nach Paris zu begleiten.
Es waren die Herren von Beauvau, von Villeroy, von Nesle und von Estaing.
Gilbert mischte sich unter die Menge und stand voller Erwartung, daß ihn Ludwig XVI. bemerke, und wäre es nur, um ihm einen Blick zuzuwerfen.
Es war sichtbar, daß alle diese Menschen im Zweifel schwebten, und daß man nicht an den Bestand dieses Entschlusses glauben konnte.
Nach dem Frühstück, meine Herren, brechen wir auf, sagte der König.
Dann, als er Gilbert erblickte, fuhr er fort:
Ah! Sie sind da, Doktor ... sehr gut. Sie wissen, daß ich Sie mitnehme.
Zu Ihren Befehlen, Sire.
Der König ging in sein Kabinett, wo er zwei Stunden arbeitete.
Er hörte sodann mit seinem ganzen Hofstaate die Messe, und gegen neun Uhr setzte er sich zu Tisch.
Das Mahl fand mit dem gewöhnlichen Zeremoniell statt; nur wollte die Königin, die man seit der Messe mit geschwollenen, roten Augen sah, ohne im geringsten daran teil zu nehmen, dennoch dem Mahle des Königs beiwohnen, um länger in seiner Nähe zu sein.
Die Königin hatte ihre zwei Kinder mitgebracht, welche beide, ohne Zweifel schon aufgeregt durch die mütterlichen Ratschläge, ihre Augen ängstlich vom Gesicht ihres Vaters auf der Menge der Offiziere und Garden umherlaufen ließen.
Überdies wischten die Kinder von Zeit zu Zeit, auf Befehl ihrer Mutter, eine Thräne ab, welche an ihren Augenwimpern hervorbrach, und dieses Schauspiel erfüllte die einen mit Mitleid, die andern mit Zorn, die ganze Versammlung mit Unbehagen.
Der König aß stoisch. Er sprach wiederholt mit Gilbert, ohne ihn anzuschauen; er sprach beinahe beständig mit der Königin und immer mit einer tiefen Zuneigung.
Endlich gab er seinen Kapitänen Verhaltungsregeln.
Er beendigte eben sein Mahl, als man ihm meldete, eine dicht gescharte Menge Menschen zu Fuß komme von Paris, und erscheine am Ende der großen Allee, welche auf den Paradeplatz ausmündet.
Auf der Stelle stürzten die Offiziere und Garden aus dem Saal; der König erhob das Haupt und schaute Gilbert an; da er aber sah, daß Gilbert lächelte, so aß er ruhig weiter.
Die Königin erbleichte, neigte sich gegen Herrn von Beauvau und bat ihn, sich zu erkundigen.
Herr von Beauvau lief hastig hinaus.
Die Königin trat an ein Fenster.
Fünf Minuten nachher kam Herr von Beauvau zurück.
Sire, sagte er, es sind die Nationalgarden von Paris, welche sich, da sich gestern in der Hauptstadt das Gerücht von der Absicht Eurer Majestät, die Pariser zu besuchen, verbreitete,zu etwa zehntausend vereinigt haben, um Ihnen entgegenzukommen. Als sie aber, indem sie Ihnen entgegengingen, sahen, daß Eure Majestät zögerte, marschierten sie bis Versailles.
Welche Absichten scheinen sie zu haben? fragte der König.
Die besten der Welt, antwortete Herr von Beauvau.
Gleichviel! versetzte die Königin, schließen Sie die Gitter.
Hüten Sie sich davor, entgegnete der König, es ist genug, wenn die Thüren des Palastes verschlossen bleiben.
Die Königin faltete die Stirne und warf Gilbert einen Blick zu.
Gilbert, erwartete diesen Blick, denn die Hälfte seiner Vorhersagung hatte sich schon verwirklicht. Er hatte die Ankunft von zwanzigtausend Mann versprochen; es waren schon zehntausend da.
Der König wandte sich gegen Herrn Beauvau um und sagte zu ihm: Seien Sie dafür besorgt, daß man diesen braven Leuten Erfrischungen
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