Angeklagt - Dr. Bruckner
Euthanasie.«
»Das glaube ich nicht. Das ist … unmöglich!« Peter Schnell hatte das Lenkrad mit beiden Händen umklammert, um das Zittern zu verbergen, das sich seiner bemächtigt hatte.
»Sie war es sicherlich nicht!« Der Pfleger war einen Schritt zurückgetreten. »Es wird nur eine von diesen bösen Nachreden sein. Sie wissen doch, daß über jeden geredet wird – ganz gleich, was er tut. Sie können ganz beruhigt sein!« Es sah aus, als fürchte er sich plötzlich vor Peter Schnell. »Ich bin überzeugt, daß sie so etwas niemals getan hat, aber die Leute reden halt darüber. Und da muß der Professor für Ordnung sorgen. Er muß das Gerede aus der Welt schaffen, sonst geht es ihr wie Dr. Bruckner.«
»Und warum erzählen Sie mir das alles?« Schnell wußte nicht, was er mit dem Mann anfangen sollte. Er machte einen irren und verwirrten Eindruck auf ihn.
»Warum ich Ihnen das erzähle?« Wieder faltete der Pfleger seine Hände. »Weil Sie mit der Studentin befreundet sind. Da müssen Sie doch wissen, was für unhaltbare Gerüchte man über sie ausstreut. Vielleicht sollten Sie etwas dagegen unternehmen?« Er starrte an dem Journalisten vorbei. Es sah aus, als ob er noch etwas sagen wollte, aber dann drehte er sich abrupt um und lief raschen Schrittes davon.
Im ersten Augenblick wollte Schnell aus dem Wagen springen, hinter ihm herlaufen und ihn zur Rechenschaft ziehen. Aber dann hielt er inne. Wofür sollte er ihn zur Rechenschaft ziehen? Daß er ihm etwas mitgeteilt hatte, worüber offensichtlich schon die ganze Klinik sprach …
Der Pförtner kam nun aus seiner Loge. »Bitte!« Seine Stimme klang ungehalten. »Ich habe es Ihnen doch schon gesagt, daß Sie hier nicht parken dürfen. Fahren Sie auf den Parkplatz!«
Peter Schnell ließ den Motor an. Langsam fuhr er davon. Am Parkplatz zögerte er einen Augenblick, aber dann gab er Gas und fuhr weiter. Was er gehört hatte, war so entsetzlich, daß er erst damit fertig werden mußte. Er konnte jetzt Barbara nicht gegenübertreten …
Immer wieder sagte er sich, daß das, was er gehört hatte, Unsinn war, aber so sehr er sich auch bemühte, es gelang ihm nicht, das Gerücht aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Er kam sich vor wie ein Schwimmer, der in Schlingpflanzen gerät. Je mehr er versucht, sich davon zu befreien, um so mehr um klammern sie ihn, bis sie ihn schließlich in die Tiefe ziehen und er ertrinkt.
»Sie haben mich rufen lassen, Herr Professor?« Die Studentin Pellenz schaute den Klinikchef fragend an.
»Ja – es gibt da ein Problem zu besprechen. Bitte, nehmen Sie Platz!«
Er wartete, dann nahm er seine Brille, griff nach dem Akten stoß, der auf dem Schreibtisch lag, holte einen Öffner heraus und öffnete ihn. »Wie weit sind Sie mit Ihrer Doktorarbeit?«
»Ich bin bald fertig, Herr Professor. Wenn Sie mir noch einen Monat geben, kann ich Ihnen das Manuskript abliefern.«
»Sehr gut, sehr gut.« Der Professor nahm seine Brille von der Nase, klappte sie zusammen und warf sie auf den Tisch. »Ihr Thema ist natürlich außerordentlich interessant, aber –«, er griff wieder nach der Brille, setzte sie aber nicht auf, sondern wirbelte sie an einem Bügel herum, »es ist doch recht umstritten. Und so bleibt es nicht aus, daß Sie als Autorin leicht in den Verdacht geraten könnten, unter Umständen selbst Versuche an Menschen zu unternehmen; ihnen einen ›Schönen Tod‹ sozusagen in der Fassung der dreißiger Jahre zu vermitteln.«
Er hob begütigend die Hand, als er sah, daß Barbara Pellenz aufbegehren wollte.
»Ich weiß, daß es Phantasien sind, aber ich hielt es doch für meine Pflicht, mit Ihnen darüber zu sprechen. Nicht wahr –«, er beugte sich vor und schaute die Studentin fragend an, »Sie haben niemals auch nur im entferntesten an eine solche Möglichkeit gedacht?«
Barbara Pellenz wußte zunächst nicht, was sie antworten sollte. Sie schaute Professor Bergmann erschrocken an. »Natürlich nicht«, antwortete sie schließlich auf die Frage des alten Herrn. »Es sind Ihre Patienten und nicht meine. Ich habe kein Recht, etwas zu unternehmen, was Sie nicht ausdrücklich angeordnet haben.«
»Das ist richtig. Aber jetzt eine Gewissensfrage!« Bergmann beugte sich noch weiter vor. »Stellen Sie sich vor, daß ein naher Angehöriger von Ihnen so schwer krank ist, daß er Sie als Ärztin bittet, ihn von seinem Leiden zu erlösen. Was würden Sie dann tun?«
Barbara Pellenz überlegte. Sie war auf eine solche Frage
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