Angeklagt - Dr. Bruckner
nicht vorbereitet gewesen und wußte so rasch keine Antwort. »Ich möchte mich dazu nicht äußern«, sagte sie verhalten.
»Und warum nicht?« Des Professors Stimme wurde eine Note härter. »Sie müssen entschuldigen, wenn ich Ihnen diese Frage stelle, aber im Zusammenhang mit Ihrer Doktorarbeit ist die Beantwortung wichtig.«
»Weil ich einfach nicht weiß, wie ich mich verhalten würde, wenn ein mir sehr lieber Mensch entsetzliche Qualen erleidet. Wenn Sie mich so fragen, würde ich mit einem Nein antworten, aber wenn ich daran denke, daß meine Mutter zum Beispiel eine Krebsgeschwulst hätte, die ihr solche Schmerzen bereitet, daß sie nicht leben und nicht sterben kann, dann weiß ich wirklich nicht, was ich dann tun würde. Man kann vom grünen Tisch aus treffliche Ratschläge erteilen!« Barbara hatte sich endlich gefangen und hatte ihre Unsicherheit verloren. »Aber ob man diese theoretischen Vorbehalte wirklich einhält, wenn es hart auf hart geht – das möchte ich bezweifeln.« Sie erschrak vor sich selbst. Sie fürchtete, ein wenig zu weit gegangen zu sein, und hatte Angst, daß sie den Professor verärgert hatte.
Dieser schaute stumm vor sich hin. Er hatte seine Brille auf den Aktenstoß gelegt und seinen Kopf in die Hand gestützt. Es dauerte lange, bis er sprach.
»Sie haben recht. Man soll in Zeiten, in denen es einem gutgeht, nicht darüber sprechen, was man tun würde, wenn es einem einmal schlechtgeht.« Er erhob sich und reichte Barbara die Hand, die ebenfalls aufgestanden war. »Ich danke Ihnen für Ihr offenes Wort. Es ist mir viel lieber. Sie sagen ehrlich, was Sie denken, als daß Sie mit Ihrer Meinung hinter dem Berg halten, nur weil ich der Vorgesetzte, weil ich Professor bin und –«, mit einem wehmütigem Lächeln strich er sich über den Kopf, »weiße Haare habe.« Er begleitete sie zur Tür. »Sie berichten mir, was Sie weiter mit Ihrer Arbeit zu tun gedenken. Ich werde meinerseits versuchen, die Gerüchte, die man über Sie aus irgendeinem Grund in die Welt gesetzt hat, zu widerrufen. Ich weiß –«, er legte ihr väterlich seinen Ann um die Schultern, »es ist sehr schwer, ein Gerücht zu ersticken. Es geht einem oft so wie einem Autofahrer, der einen Benzinbrand mit Wasser löschen möchte. Je mehr Wasser er auf den brennenden Vergaser gießt, desto mehr breitet sich die Flamme aus, weil das Benzin auf dem Wasser schwimmt und von ihm in die Umgebung getragen wird. Aber ich hoffe wir werden es mit vereinten Kräften schon schaffen.« Er gab ihr noch einmal die Hand und öffnete die Tür zum Vorzimmer.
»Kollege Bruckner?« Erstaunt sah er seinen zweiten Oberarzt an, der im Vorzimmer stand und anscheinend auf ihn wartete. »Sie wollen zu mir?«
»Ja.« Thomas Bruckner trat ein wenig zur Seite, um Barbara Pellenz vorbeigehen zu lassen, bevor er der stummen Aufforderung Professor Bergmanns, einzutreten, Folge leistete.
»Sind Sie krank?« Robert Bergmann wollte sich setzen, als er hinter seinen Schreibtisch gegangen war. Als er aber Dr. Bruckners Gesicht sah, blieb er stehen, kam noch einmal um den Schreibtisch herum und schaute den Arzt aus der Nähe an. »Oder haben Sie etwa die Nacht durchgefeiert?« Er beobachtete Dr. Bruckner prüfend. »Warum sollten Sie auch nicht? Wir haben es ja früher auch getan, als wir jung waren. Was ist also los, was haben Sie auf dem Herzen?«
Er ging nun endgültig hinter seinen Schreibtisch, ließ sich in den Sessel fallen und deutete mit einer Handbewegung auf den Besuchersessel.
Thomas Bruckner zögerte. Die Dinge, die er mit Professor Bergmann besprechen mußte, ließen sich besser im Stehen abhandeln. Der Professor bemerkte sein Zögern. »Was haben Sie denn in Dreiteufelsnamen!« Er machte eine unwillige Handbewegung auf den Stuhl hin. »Setzen Sie sich doch. Sie zwingen mich sonst, auch aufzustehen.«
Zögernd nahm Bruckner Platz.
Er überlegte, wie er es dem Professor am besten sagen konnte.
»Sie haben ja die Zeitung gelesen«, begann er schließlich. Er deutete auf die Zeitung auf dem Schreibtisch. »Die Angriffe gegen mich haben nicht aufgehört!«
»Das stimmt, aber wir waren doch übereingekommen, daß Sie das nicht scheren sollte. An der Klinik kennt man Sie und weiß, daß Sie integer sind. Es passiert doch jedem von uns schon mal, daß er ins Gerede kommt. Eben hatte ich übrigens die Kollegin Pellenz bei mir. Sie wird ja auch verdächtigt, bei den Todesfällen mitgewirkt zu haben. Und nur weil sie eine Doktorarbeit
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