Angel 01 - Die Engel
zum Altar.
Plötzlich stieß sie dem Dämon die Waffe ins Gesicht und drückte ab.
Der Schuss löste sich, traf sein Ziel, und die Waffe zuckte in ihrer Hand und fiel dann klappernd zu Boden. Der Knall des Schusses war ohrenbetäubend, wie eine Explosion, da das Geräusch in der großen Kathedrale um das Zehnfache verstärkt wurde. In Vanessas Ohren dröhnte es.
Nethrus Kopf wurde abrupt zurückgerissen, und er musste sie loslassen. Er stöhnte schmerzerfüllt. Seine Hand wanderte zu seinem Gesicht.
Die Kugel hatte sein linkes Auge zerstört.
» Du …«
Die Wut in diesem einen, leisen Wort jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Da wusste sie, dass sie ihn verletzt hatte, dass er große Schmerzen litt. Und sie wusste, dass er zwar heilen würde, ihm aber etwas genommen worden war, das er nicht ersetzen konnte. Sie hatte ihm eines seiner Augen gestohlen, und jetzt würde er sie zerpflücken wie ein Insekt.
Dave, dessen einer Arm offenbar gebrochen und damit nutzlos war, versuchte, mit seiner gesunden Hand Nethrus Knöchel zu packen, und bekam dafür einen heftigen Tritt ins Gesicht verpasst, der seinen ganzen Kopf zurückschleuderte.
Vanessa hob hastig die Pistole auf und rannte zurück zu einem Pfeiler.
Danny war am anderen Ende des Mittelgangs inzwischen wieder auf die Füße gekommen und stolperte unsicher in Nethrus Richtung. Er hatte seine Waffe gezogen. In seinem Gesicht lag ein Ausdruck hemmungsloser Wildheit.
Vanessa schrie: » Ziel auf sein rechtes Auge!«
Danny blieb stehen und blinzelte, daran erkannte sie, dass er ihre Botschaft verstanden hatte. Der kleine, kahlköpfige Cop ließ sich auf ein Knie sinken, zielte sorgfältig und drückte sechsmal ab. Die Schüsse donnerten durch die Kathedrale, und Vanessa sah, wie Nethrus Kopf zurückzuckte. Als er sich zu ihr umdrehte und sie ansah, hatte er zwei Löcher in der rechten Wange und eines knapp über dem gesunden Auge.
Danny hatte das Ziel verfehlt.
Nethru hob das Altarkreuz auf und schleuderte es durch den Gang. Es traf Danny an der rechten Schulter, so dass er herumgeschleudert wurde und neben der Tür zu Boden ging. Stöhnend blieb er liegen.
Vanessa wich zurück, als Nethru sich ihr näherte.
» Du hast mir Schmerzen bereitet«, sagte er nur.
Vanessa stieß mit dem Rücken gegen den Pfeiler.
Der Dämon kam immer näher.
Sie hob noch einmal die 38er, diesmal mit beiden Händen, damit sie sich nicht aus ihrem Griff lösen konnte. Sie hatte noch fünf Schüsse. Ihr Verstand war eiskalt geworden. In ihr war keine Angst mehr. Sie drückte den Abzug durch, wie Dave es ihr gezeigt hatte. Viermal schoss sie und versuchte, Nethrus Gesicht zu treffen. Jedes Mal traf sie entweder zu hoch oder zu tief. Es hätte an ein Wunder gegrenzt, wenn sie aus dieser Entfernung sein gesundes Auge getroffen hätte, bei so wenig Erfahrung im Umgang mit Waffen.
Drei Kugeln gingen daneben, eine traf seine Kehle. Dann drückte sie ein letztes Mal ab und traf ihn an der Stirn.
Die Kraft dieses letzten Schusses trieb ihn ein kleines Stück zurück, und er stieß gegen den Ständer mit den brennenden Votivkerzen, von denen einige schon ziemlich heruntergebrannt waren und wild flackerten.
Bei seinem Sturz durch das Fenster war Nethrus Regenmantel mit Benzin getränkt worden. Das fing jetzt Feuer. Das Benzin war zwar schon fast verdampft, aber es war noch genug übrig, um eine dünne, blaue Flamme an seiner linken Körperseite emporzüngeln zu lassen. Im Gesicht des Dämons zeigte sich eine Erkenntnis. Er trat von den Kerzen weg und schlug auf die zarten Flammen ein, die über seinen Körper zu tropfen und ihm durch die Finger zu rinnen schienen. Vanessa verstand nicht, warum die kleine blaue Flamme den Dämon so beunruhigte. Sie hatte schon schlimmeres Feuer gesehen, wenn ein Pudding flambiert wurde. Ihr war nicht klar, dass er sich gerade in einer sehr gefährlichen, verwundbaren Position befand.
Doch in solchen Situationen funktioniert das Gehirn eines Polizisten schneller.
» Nethru!«
Als er Daves Stimme hörte, schaute der Dämon hoch. Vanessa sah kontrollierte Panik und hemmungslose Angst in seinem Gesicht. Dave hatte seine 38er in der gesunden Hand und zielte damit auf Nethru, der endlich begriffen hatte, was seine Schwachstelle war. Seine eigenen Waffen waren seine Schwäche, seine größte Angst. Und der Detective wusste das ebenfalls.
Dave lächelte, doch es war kein angenehmes Lächeln. Es war tödlich. Er sprach ganz sanft, als hätte er Angst,
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