Angel 01 - Die Engel
seinem Arbeitszimmer eine Eucharistiefeier abhalten sollte, doch es fiel ihm schwer, das Zimmer seiner Söhne zu verlassen.
Vielleicht wäre er einfach so sitzen geblieben, wenn nicht die Haustür zugeschlagen worden wäre.
Er stand auf und ging schnell nach unten, wo seine Frau gerade hereingekommen war. Sie nahm im Flur Schal und Mantel ab und hängte sie an die Haken neben der Treppe.
» Alles in Ordnung?«, fragte sie, ohne ihn anzusehen, und erwartete die übliche Antwort.
» Ich weiß es nicht«, erwiderte er.
Sie drehte sich um und starrte ihn prüfend an. » Was ist los?«
» Na ja«, murmelte er und beschloss dann, dass er sie nicht beunruhigen wollte, » Noel hatte einen Alptraum.«
Sie wirkte erleichtert. » Ach ja, der arme Kleine, er hat momentan ein bisschen Schnupfen. Dann kriegt er immer Fieber. Ich gehe hoch und sehe mal nach ihm.«
Sie ging die Treppe hinauf; der Priester sah ihr hinterher und fragte sich, ob er sie begleiten sollte. Doch dann hatte er das Gefühl, dass vielleicht seine Fantasie mit ihm durchgegangen war. Es steckte eine Menge Noel in ihm – beziehungsweise es steckte viel von ihm in Noel. Sie waren beide sehr sensibel, Menschen, die nahe an der Kante standen, wenn es um Stimmungen ging.
Der Priester seufzte und ging ins Wohnzimmer, um die Zeitschriften aufzuräumen, die seine Tochter auf dem Boden verteilt hatte.
Dann ging er zur Hintertür, um Skip für die Nacht reinzuholen.
» Skip?«, rief er. » Hierher, Junge.«
Keine Reaktion.
» Skip?«
In diesem Moment wurde der Priester von einem unverwechselbaren Übelkeitsgefühl gepackt. Hastig schloss er die Tür und atmete tief durch. Dieser Gestank! Er hatte ihm den Atem genommen. Er ließ ihn vor Angst keuchen. Da draußen war etwas: ein Wesen aus einer anderen Dimension. Der Priester lehnte sich gegen die Tür und fragte sich, was er jetzt tun sollte. Was wollte dieses Wesen überhaupt von ihm und seiner Familie?
Da fiel ihm eine Textpassage ein, die er vor kurzem in einem alten religiösen Werk gelesen hatte, das ein Mönch im elften Jahrhundert auf der Insel Lindisfarne geschrieben hatte.
Er rannte zu seinem Schreibtisch, holte das Buch aus dem Regal und suchte die entsprechende Stelle: » … wenn von Satan ein Dämon auf die Erde entsandt wird, ist die erste Tat dieses Dämons, das bluterfüllte Herz eines unschuldigen Wesens zu essen, etwa eines Kindes, um nach der langen Reise aus den Höllenkreisen seinen Hunger und Durst zu stillen.«
Der Priester starrte lange auf den Text. Sein Magen rebellierte. Er spürte, wie ihm die Galle in die Kehle stieg und ihn zu ersticken drohte. Panik und Angst lähmten ihn, doch dann rannte er plötzlich aus dem Zimmer und durch den Flur zum Zimmer seiner Tochter. Er riss die Tür auf und schrie: » Samantha?«
» Daddy?« Das Mädchen saß aufrecht im Bett.
Sie wirkte verängstigt, ihre Augen waren weit aufgerissen – aber so weit er sehen konnte, war sie unverletzt.
» Alles in Ordnung, Schatz«, sagte er. » Keine Sorge.« Er starrte sie noch einen Moment prüfend an, dann rannte er nach oben zum Zimmer der Jungen. Als er ins Zimmer stürzte, sammelte seine Frau gerade in der schummrigen Beleuchtung des Nachtlichts ein paar verstreute Spielsachen ein. Überrascht schaute sie hoch.
» Gott sei Dank!«, schluchzte der Priester, als er sah, dass seine beiden Söhne friedlich schliefen.
Der Priester ging wieder nach unten und nahm auf dem Weg ein Kreuz aus einer Fensternische mit. Ohne einen Gedanken an seine eigene Sicherheit zu verschwenden, ging er in den Garten. Auf halbem Weg über den Rasen stolperte er über etwas. Als er im Licht, das durch das Küchenfenster drang, nach unten schaute, entdeckte er Skip. Der Körper des Hundes lag ausgestreckt, kalt und steif auf dem Rasen.
Skips aufgerissener Brustkorb war wie eine gruselige, leere Höhle, das Herz fehlte. Es schien so, als hätte ihn jemand an den Vorderpfoten gepackt und sie auseinandergerissen, um ihn so in der Mitte aufzubrechen. Dann hatte dieser Jemand in seinen Brustkasten gegriffen und das wichtigste Organ herausgerissen.
Der Priester wich einen Schritt zurück. Ihm wurde schwindelig, dann übergab er sich auf den Rasen.
Als er das Schwindelgefühl überwunden hatte, ging er wieder hinein und verriegelte die Hintertür. Er ging zum Küchentelefon und wählte den Notruf.
» Die Polizei, bitte«, sagte er zur Zentrale. » Hier gab es … wir hatten … mein Hund wurde … bitte, Sie müssen jemanden
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