Angel 01 - Die Engel
Sprache«, erklärte er ihr. » Sie verändert sich durch den Gebrauch. Man benutzt sie, um zu kommunizieren. Wenn alle › ne‹ sagen, dann ist das auch korrekt. Und alle, die ich kenne, sagen › ne‹.«
» Dann sind wohl alle, die du kennst, Plebejer.«
» Plebejer?«, hatte er in gespieltem Schrecken wiederholt. » Was ist das denn für ein Wort? Das ist doch bestimmt kein Englisch, ne?«
An dieser Stelle hatte sie aufgegeben, da sie erkannt hatte, dass sie geschlagen war.
» Das ist – das ist Latein, oder zumindest fast ein lateinisches Wort. Plebs, das war der Begriff für die Bürger der Unterschicht im alten Rom. Die Oberschicht nannte man Patrizier.«
» Ach so, ja, da hast du mich falsch verstanden«, hatte er erklärt und sie damit schon wieder überrascht, » denn ich bin ein Patrizier. Mein Großvater war ein Raja.«
Eifrig hatte sie gefragt: » Wirklich?«
» Nö, aber dich kann man echt leicht beeindrucken, oder? Du solltest dich schämen. Du bist ein verdammter Snob.«
Als er ihr später gesagt hatte, dass er ein Londoner Cop war, war sie sogar noch beschämter gewesen, aber bis dahin hatte sie sich bereits in ihn verliebt, also konnte sie nicht mehr viel dagegen tun. Sie hatte darüber nachgedacht, ob sie ihn einfach nicht mehr anrufen sollte, als sie wieder in England war, aber bald hatte sie von seinem schlanken, gebräunten Körper geträumt, von seinem dichten, schwarzen Haar und seinem fröhlichen Lächeln. Sie sehnte sich danach, seine Stimme und sein Lachen zu hören. Rajeb hatte ein angenehmes, entspanntes Wesen, das beruhigend auf sie wirkte.
Also hatte sie ihn in der Arbeit angerufen.
» Du weißt, warum ich anrufe, oder?«, hatte sie gefragt, da sie sich unbedingt noch einen letzten Rest Stolz bewahren wollte.
» Ja«, erwiderte er frustrierenderweise, » weil ich so ein netter Kerl bin.«
» Von wegen! Es ist nur, weil ich noch etwas von dir habe – dieses Buch, das du mir geliehen hast.«
» Ich habe dir ein Buch geliehen?«
» Ja, und das will ich dir zurückgeben.«
Rajeb lachte laut. » Das ist ein guter Trick, Süße, den muss ich mir merken. Behalte etwas, dann kannst du später anrufen und so tun, als wolltest du es zurückgeben. Komm schon, gib es zu, du bist doch nur scharf auf meinen Körper …«
» Bestimmt nicht«, schrie sie in den Hörer. » Eigentlich würde es mich kein bisschen stören, wenn ich dich nie wiedersehe.«
» Warte mal einen Moment«, sagte er. Kochend vor Wut wartete sie, während er im Hintergrund etwas murmelte, dann war er wieder da.
» Was sagtest du gerade?«
» Ich sagte«, knurrte sie, » dass ich hoffe, du fällst tot um. Ich dachte, dieses Buch sei dir wichtig, und habe mir extra die Zeit genommen, dich anzurufen, und dann muss ich mir so einen Mist anhören.«
» Du bist also nicht in mich verliebt?«
» Hundertprozentig nicht.«
» Das ist schade, denn ich bin ziemlich verliebt in dich – ich habe versucht, dich zu finden, seit ich wieder hier bin. Du hast mir eine falsche Nummer gegeben.«
Das brachte sie aus dem Konzept, aber ihr schrecklicher Stolz ließ nicht zu, dass sie ihm ihre Gefühle gestand. Sie behauptete, sie hätte ihm absichtlich eine falsche Nummer gegeben, um ihn aus ihrem Leben fernzuhalten. Dann warf sie den Hörer auf die Gabel und brach in Tränen aus.
Zehn Minuten später klingelte es an der Tür.
Sie öffnete und fand Rajeb auf der Schwelle. Er grinste.
» Wie … wie hast du …?« Sie verstummte und wischte sich die Tränen ab.
» Habe den Anruf zurückverfolgt«, erklärte er und grinste noch breiter. » Schlau, ne? Ich bin schließlich nicht umsonst Polizist. Hey«, meinte er dann besorgt, » du hast ja meinetwegen Tränen vergossen.«
» Ich habe Zwiebeln geschält«, fauchte sie.
» Von wegen«, erwiderte er und betrat die Wohnung. Zehn Minuten später landeten sie in ihrem Bett, und zwei Wochen später war sie bei ihm eingezogen. Das war vor einem Jahr gewesen, und sie hatte es nie bereut – bis jetzt.
Rajeb ließ sie im Bett sitzend zurück und sprang drei Stufen auf einmal nehmend die Treppe hinunter. Sein Auto stand hinter dem Haus. Wenig später raste er durch die helle Nacht Richtung Holland Park Road.
Dave stand an der Ecke.
» Wo ist er?«, fragte Rajeb und sprang aus dem Wagen.
» Irgendwo da oben auf dem Dach. Haben Sie Verstärkung angefordert?«
» Schon unterwegs«, nickte Rajeb, » könnte aber noch eine Weile dauern, bis die hier sind. Sollen wir hochklettern und
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