Angel 01 - Die Engel
erschöpft wie körperlich.
Als Dave das Gefühl hatte, dass es angebracht war, fuhr er fort: » Also«, setzte er an. » Ich möchte Sie etwas fragen. Sie haben Ihren Angreifer als einen zuvor sanftmütigen, netten Menschen beschrieben …«
» Das war er, ja, und das verstehe ich einfach nicht.« Wieder stiegen Lloyd Tränen in die Augen. » Ich meine, ich glaubte den Jungen zu kennen. Ich kann es nicht fassen, wie sehr er sich in ein paar Monaten verändert hat. Er war wie ein Tier … ja, genau das ist es; es war, als würde irgendeine schreckliche Kreatur in ihm lauern. Seine Augen … waren hypnotisch, der Wahnsinn stand darin. Und er strahlte eine enorme Energie aus … das ist schwer zu erklären … als wäre ein wildes Tier in ihm gefangen, das darum kämpft rauszukommen.«
» Und seine … Genitalien waren …«
» Riesig. Ich musste mit siebenundzwanzig Stichen genäht werden. Das verrät Ihnen doch einiges.«
» Sie wurden aufgerissen«, erklärte Dave, » wie einige der männlichen und weiblichen Opfer vom Südufer.«
Plötzlich riss Lloyd Smith die Augen auf und stemmte sich hastig hoch, auch wenn ihn das offenbar sehr anstrengte.
» Manovitch?«, schrie er.
» Ich bin überrascht, dass Ihnen der Gedanke nicht schon früher gekommen ist«, meinte Danny.
Lloyd erwiderte: » Na ja, ich habe einfach nicht daran gedacht … er sah aus wie Holden. Warum sollte Manovitch das Aussehen eines anderen kopieren? Es sei denn …«
» Es sei denn, er wurde zu dieser Person«, beendete Danny den Satz für ihn. » Vielleicht hat Manovitch es vorgezogen, einen Körper in Besitz zu nehmen, anstatt sich einen eigenen zu erschaffen, wie es die Dämonen tun. Vielleicht kann eine tote Seele sich auch gar keinen eigenen Körper erschaffen.«
Lloyds Augen wurden wieder feucht. » Armer Holden. Von einem so verdorbenen Wesen übernommen und benutzt zu werden, und dann … bei lebendigem Leib zu verbrennen.«
Dave sagte sanft: » Ich glaube nicht, dass der ursprüngliche Besitzer des Körpers überhaupt gemerkt hat, dass er stirbt, oder irgendetwas davon gespürt hat. Holden hat sein Leben wahrscheinlich schon an dem Tag verloren, als Manovitch in seinen Körper eingedrungen ist.«
» Ich würde gerne glauben, dass es so war«, nickte Lloyd. » Ich hoffe nur, dass Holden nicht gelitten hat. Und ich bin froh, dass nicht er mir das angetan hat. Nachdem ich Emily verloren hatte, war Holden für mich der wichtigste Mensch auf der Welt. Natürlich war er ein egoistischer junger Mann, aber alle jungen Männer sind egoistisch. Das ist ein Teil ihres Wesens. Doch er konnte wirklich einfühlsam sein, wenn er wollte.«
Er drehte sich um und sah Dave ins Gesicht. » Wenn das, was Sie sagen, wahr ist, haben wir dann durch Zufall unsere tote Seele gefangen? Manovitch ist nur noch ein Haufen Asche. Oder sind solche Hoffnungen verfrüht, was meinen Sie?«
» Nein, es ist sehr wahrscheinlich, dass Holden Manovitch war. Wir konnten ihn ja auch nur zufällig erwischen. Zum Glück ist dieser Zufall ziemlich schnell eingetreten, und es hat nicht noch mehr Todesfälle und Verstümmelungen gegeben.«
Lloyd sah schon ein wenig besser aus. » Meinen Sie, wir haben Manovitch zerstört?«
» Ja, und die Konferenz geht ungehindert weiter. Ich glaube, Manovitch hat dafür gesorgt, dass die heiligen Männer noch verbissener geworden sind. Sie werden nicht aufgeben. Und ich finde, es wird Zeit, dass Danny und ich nach San Francisco zurückkehren.« Er sagte nicht: » Bevor Danny sich endgültig zum Narren macht.« Auch wenn er es gern gesagt hätte.
» Wir müssen ein Meeting einberufen, um herauszufinden, ob die anderen das auch so sehen«, sagte Lloyd. » Ich sollte in ungefähr zwei Tagen hier rauskommen – vielleicht sogar schon morgen. So lange können Sie doch noch warten, oder? Wenn Sie Recht haben, müsste der Erzengel bis dahin ja verschwunden sein, oder nicht? Warum sollte er schließlich noch hier abwarten, wenn das Wesen, das er zerstören sollte, vernichtet ist?«
Dave spürte Enttäuschung in sich aufsteigen. Er wollte unbedingt wieder nach Hause. London war okay, aber es war eben nicht San Francisco, und außerdem lebte er nicht gerne aus dem Koffer. Da er im Grunde seines Herzens ein sehr konservativer Mensch war, reichte die Unbeständigkeit der wechselhaften Routine eines Cops in seiner Heimatstadt völlig aus, um sein Bedürfnis nach Abwechslung zu befriedigen. Aber was Lloyd Smith sagte, war in gewisser Weise
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