Angel 01 - Die Engel
annahm. Die meisten Männer wären nach einer solchen Erfahrung von dem Projekt zurückgetreten.
Die Sache erinnerte ihn auch an Vanessa, die als Kind viele Male von ihrem eigenen Vater vergewaltigt worden war. Was für eine verdammte Dreckswelt, dachte Dave. Wie zur Hölle schafften es diese Menschen nur, nicht völlig durchzudrehen?
Als Dave in die Lobby kam, wartete dort Stan Gates auf ihn.
» Sieht so aus, als hätten Sie doch noch gekriegt, was Sie wollten«, meinte Dave.
Stan sah ihn verwirrt an. » Was meinen Sie damit?«
» Jetzt dürfen Sie mich durch London chauffieren. Ich käme wahrscheinlich auch ohne Sie zurecht, wenn diese Stadt nicht so verdammt viele Einbahnstraßen hätte. Ich schätze also, ich muss mich mit Ihnen abfinden.«
Stan wirkte brüskiert. » Also, es macht mir ja nichts aus, Sie durch die Stadt zu fahren, Lieutenant, aber meine Lieblingsbeschäftigung ist es auch nicht gerade. Wie kommen Sie darauf, dass ich den Job unbedingt machen will?«
» Sie haben es mir doch selbst gesagt.«
Stan schüttelte den Kopf. » Nicht dass ich wüsste. Aber egal, wohin wollen Sie denn heute?«, fragte er.
» Flughafen Heathrow.«
Als sie zum Auto gingen, fielen die ersten Hagelkörner. Offensichtlich waren das nur Warnschüsse, die den Leuten klarmachten, dass es jetzt Zeit wurde, Schutz zu suchen. Dave starrte auf die Lichtkuppel des Erzengels und fragte sich, was dem Wesen wohl durch den Kopf ging – falls es überhaupt ein Bewusstsein hatte. Vielleicht hat es ja gar kein Gehirn oder etwas Entsprechendes, dachte er. Vielleicht ist es ja völlig anders als wir gewöhnlichen Sterblichen.
Stan und Dave ignorierten die ersten Hagelschauer und fuhren nach Südwesten, Richtung Flughafen. Als dann aber der wirkliche Hagel kam und wie Felsbrocken auf das Wagendach prasselte, musste Stan an die Seite fahren. Andere Autos folgten ihrem Beispiel. Sie hatten mitten auf einer Brücke angehalten und blieben dort, während das Dach immer stärker eingebeult wurde und große Eisbrocken von den Kotflügeln abprallten.
Der Lärm war ohrenbetäubend, und die beiden Männer mussten schreien, um sich miteinander zu verständigen. Sie sahen, wie ein Autofahrer leichtsinnigerweise aus seinem völlig zerfetzten Cabrio ausstieg, das ihm zumindest noch ein wenig Schutz geboten hatte. Er taumelte ein paar Schritte, wurde dann aber von dem weißen Sturm niedergedrückt. Da sie ihm nicht helfen konnten, mussten sie zusehen, wie er auf die Knie sank. Sein Gesicht wirkte ausdruckslos, der Mund stand offen, die Augen starrten ziellos. Die Hagelkörner rissen ihm die Haut auf, dann schälten sie dem Mann das Fleisch von den Wangenknochen, bis er schließlich ganz zusammenbrach und der Hagel auf seinen leblosen Körper prasselte. Er war vor ihren Augen gesteinigt worden.
Die Sicht war gleich null, und den Menschen in den Autos kam es so vor, als wären sie von der Außenwelt abgeschnitten, im Eis eingeschlossen.
Eisige weiße Wände türmten sich um sie herum auf, doch nach einer halben Stunde ließen Stärke und Dichte des Hagelsturms langsam nach, so dass Dave den Wagen vor ihnen sehen konnte. Der gesamte Lack war ab, das blanke Metall freigelegt worden. Was er von ihrem eigenen Auto sehen konnte, befand sich in einem ähnlichen Zustand.
Um sie herum und auf der ganzen Straße lagen die Scherben der zerschmetterten Autoscheiben. Zum Glück waren die Scheiben ihres Wagens kugelsicher, so dass sie dem Sturm getrotzt hatten, aber andere hatten es weniger gut getroffen; sie saßen nun bis zu den Knien in Hagelkörnern. Einige weiße Hügel, Körper unter Eisbrocken, regten sich nicht. Auf den Gehwegen lagen Menschen, die es nicht geschafft hatten, sich rechtzeitig vor dem Sturm in Sicherheit zu bringen. Sie waren von den Hagelkörnern erschlagen worden. Andere, die noch herumstolperten, waren voller Blutergüsse, Schnitte und Striemen. Es war kein schöner Anblick.
» Jesus, sehen Sie sich das an«, sagte Dave.
Stan hatte offenbar keine Lust zu antworten.
Der Hagel fiel, wenn auch weniger dicht, noch über eine Stunde lang weiter und füllte die Straßen mit Eisklumpen von der Größe altmodischer Mottenkugeln. Endlich ließ der Sturm nach und löste sich dann auf. Schließlich setzte sich der Verkehr wieder in Bewegung und sie konnten weiterfahren.
Die Innenstadt sah aus, als hätte man sie in Styroporflocken gepackt, bereit zum Postversand.
Die Straßen waren gefährlich, überall rutschten die Autos herum. Doch die
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