Angel 01 - Die Engel
Bar fing Feuer, und das qualmende Gesicht des Barkeepers wurde plötzlich völlig schwarz, als wäre jemand mit einem Teerpinsel darübergefahren. Er brach zusammen und war bereits tot, als er auf die Regalbretter mit schmelzenden Gläsern und Flaschen fiel und der freigesetzte Alkohol brüllende Stichflammen erzeugte. Die Kette, mit der der Kronleuchter an der Decke befestigt war, schmolz und riss; der Leuchter über der Bar fiel mit einem lauten Krachen und dem Geräusch von splitterndem Glas herunter.
Als immer mehr Opfer in Brand gerieten, stiegen ein Zischen und der Geruch von kochendem Fleisch auf. Die Leute waren in Panik, schrien und schlugen um sich, um die unzureichenden Notausgänge zu erreichen, einige noch halbblind durch den weißen Blitz. Sie stürmten los, stolperten über herumliegende Gegenstände, einige fielen direkt in die Flammen, wo sie von anderen niedergetrampelt wurden. Die Dämpfe der synthetischen Materialien verpesteten die Luft, und die Menschen fielen einfach um, drückten die Hände vor die Brust und wanden sich wie verletzte Ratten auf dem Boden. Es kam zu Erstickungstod und Herzinfarkten.
Den Engel interessierte nichts von alledem.
Er stieg über die Leichen hinweg, entfernte sich von dem Feuer, das er selbst hervorgerufen hatte, und verschwand durch einen Seiteneingang. In der Gasse neben dem Club plante er seinen nächsten Schritt. Er musste nach London, zu einer Wohnung in Soho.
Dann zurück nach Amerika, in die Stadt, wo diese beiden dummen Polizisten stümperhaft nach ihm suchten. Ihre Anstrengungen waren kaum der Rede wert, und der Engel versuchte, sie aus seinem Kopf zu verdrängen, doch es fiel ihm nicht leicht. Die beiden waren irritierend. Der Engel hatte bereits Zeit und Energie verschwendet, als er ihnen hypnotische Warnungen ins Bewusstsein eingepflanzt hatte, die sie besser beachtet hätten. Langsam wurde ihre Verfolgungsjagd lästig.
Wenn sie weiter so hartnäckig blieben, würde der Engel sie vernichten müssen, allein schon, um sich Ruhe zu verschaffen. Sie weckten Zweifel in ihm, was für einen Engel gefährlich war. Wenn Engelswesen nicht an ihre eigene Rechtschaffenheit glaubten, gerieten sie in den Fokus ihrer Oberen. Sie überwachten ständig die Seelen ihrer Untergebenen, und jeder Funke eines spirituellen Zweifels wurde untersucht. Die Oberen waren ja vielleicht nicht daran interessiert, wo sich die Engel aufhielten, in welcher Dimension oder Ebene sie sich befanden, aber sie waren immer besorgt, wenn es um den Zustand ihrer Seelen ging.
Eine Revolution im Himmel war bis in alle Ewigkeit genug.
Diese beiden Sterblichen brachten den Engel dazu, seinen Eifer infrage zu stellen. Warum sollte er sich Gedanken machen um das Leben von ein paar tierhaften Menschen, die so oder so in absehbarer Zeit sterben würden? Die Lebensspanne eines Sterblichen war nur ein kleiner Knoten im seidenen Lebensfaden eines Engels, warum also Bedauern, warum Rücksicht? Ein Jahr, ein Jahrzehnt, ein Jahrhundert: Das waren nur Momente im großen Fluss der Ewigkeit.
Bei ihrem Treffen in dem Restaurant hatte einer der beiden Sterblichen seinen Geist geöffnet und seine Trauer über den Tod seiner Frau und seines Kindes offenbart. Das hatte den Engel stärker beunruhigt, als er sich eingestehen wollte. Solch ungehemmte Emotionen gehörten nicht zu seiner Erfahrungswelt. Dies war wie der intime Einblick in eine blutende Wunde im Herzen eines verwandten Geistes. Er hatte den Schock sofort unter Kontrolle gebracht, aber der Engel mochte es nicht, wenn man ihm solche Dinge zeigte. Er wollte weder wissen noch verstehen, welche Trauer, welche schrecklichen geistigen und seelischen Schmerzen ein Mensch durchmachen musste, der einen solchen Verlust erlitt.
Wenn diese beiden Kreaturen ihn also weiter belästigten, würde dem Engel keine andere Wahl bleiben als sie aufzuspüren und loszuwerden. Sie behinderten die Arbeit eines Kriegers, störten die heiligen Pflichten eines Soldaten Gottes, und verhinderten, dass die Sünder Gerechtigkeit erfuhren.
Der Engel hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie er sie aufspüren wollte, denn inzwischen war seine Macht so gewachsen, dass er unter den Millionen herumwuselnder Sterblicher ganz gezielt einen bestimmten Geist ausmachen konnte. Dazu mussten sie allerdings in seiner Nähe und offen für einen solchen Eingriff sein. Außerdem waren ihm die Gewohnheiten der Menschen und ihre Art der Kommunikation und Fortbewegung fremd. Er wusste nur sehr
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